amilienfluch
Daß der Fluch sich auf unser Haus gelegt habe, seit man dort der Religion der
Ahnen untreu geworden ist (wie meine Tante X es eindeutig glaubte): was für
eine verlockende Hypothese! Was für ein exaktes Bild im übrigen, wenngleich
als solches tautologisch. Sicher, manchmal fühle ich etwas Verfluchtes in meinem
Geschlecht, oder jedenfalls in dessen jüngeren Gliedern. Vielleicht war etwas
Diabolisches in meiner Mutter; oder vielleicht ist etwas davon in allen und
in allem (aber in ihr, wenn überhaupt, etwas auf reine, auf heilige Weise Diabolisches).
Jedenfalls konnte ich gestern nicht ohne Zittern die Erregung der Minor mit
ansehen, die, ins Säuglingshafte übertragen, die präzise Reproduktion der unseren
war, vor allem der meinen, und über die «ich mit Angst das Haupt meiner Spezies
sich erheben, jenen Wind des Zorns (der Ungeduld etc.) die gelösten (fast noch
inexistenten) Locken auf meinem eigenen Haupte sich bewegen sah». Phantasien,
noch dazu alberne, bei denen ich mich nicht aufhalten will, damit sie nicht
zu etwas Realem werden (oder zu Gespenstern, wie die von dem Mantel vorgetäuschte
und beinahe erschaffene alte Hexe) und zu Vergleichsbegriffen des bewußten Urteils.
Ja, wie gern wäre ich davon überzeugt, daß ein Fluch nur über den verhängt wird,
der ihn erfleht, der nach ihm verlangt; daß Gott ihn gleichsam schweren Herzens
zugesteht, nur um sich dem menschlichen Willen zu beugen und sein Geschöpf nicht
zu verdrießen! Wie gern würde ich die dunkle Last einer vorhergesehenen und
fast als unvermeidlich betrachteten tragischen Lösung zurückweisen! Im Grunde
hat es in meinem Leben, in dem, was sich mein Leben nennt, bisher noch gar keine
wirklich tragischen Lösungen gegeben, abgesehen von der tragischsten von allen:
dem Mangel an Lösungen und an eigentlicher Organisation, das heißt an Akkumulation
oder Verknüpfung der vitalen Elemente. (Der Zusammenhang ist nicht ganz klar;
aber was für eine Erholung, schlecht zu schreiben — als ob ich für gewöhnlich
gut schriebe! Wie dem auch sei, hierin wenigstens entfaltet dieses hygienische
Tagebuch seine wohltätige Wirkung.) - (land3)
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