aktor N Anhand einfacher Beispielsätze wie Die Katze fängt die Maus sollte die Funktionsweise des Sprachzentrums im Gehirn beleuchtet werden. Zunächst war ich kaum überrascht über die banale Evidenz der Versuchsergebnisse. Wie er mir mit Hilfe einer Graphik demonstrierte, gab es gegen Ende dieses Übungssatzes, beim semantischen Auftauchen der Maus, eine schwache Amplitude in der neuronalen Betriebsspannung. Die kognitive Bewegung von Katze zu Maus nahm die lexikalischen Fähigkeiten des Gehirns kaum in Anspruch. Dann aber griff er tief in die Trickkiste, indem er den Satz Die Katze fängt den Mond hervorzauberte. Jetzt war die Amplitude schon weitaus stärker. Es zeigte sich, daß die neuronalen Potentiale im Satzverlauf von Katze zu Mond um ein Vielfaches höher lagen als die von Katze zu Maus ... Hier ein bloßer Assoziationsschritt, dort ein Gedankensprung. Die Besonderheit der an das sprachliche Großereignis anschließenden Amplitude wurde im EEG der Versuchsreihe mit dem Faktor N 400 bezeichnet.
Wirksame Dichtung, so glaube ich, ging immer vom zweiten Fall aus, von
einem Riesensprung über lexikalische Spalten.
Sie gehorcht ihrer eigenen semantischen Paralogik, die das denkbar Entfernte
zusammenruft, das beinah Unvereinbare nebeneinanderstellt. Je weiter und
unerwarteter diese Sprung, je größer also der Faktor N 400 in einer Zeile
oder in einer Silbenfolge, um so geräumiger sind Vers oder Prosa. Im Idealfall
umschließen sie den ganzen, vom Sensorium des Sprechers, Lesers
oder Hörers erfaßten Erlebnisraum. Im plötzlichen Rundumblick sprengt die
im dichten Bild gespeicherte Vorstellungskraft den Moment aus dem gewohnten
Zeitablauf heraus. - (
gr
)
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