Fahrrorg   

 Fahrrorg (3)

 Fahrrorg (3)  »Woran erkennen Sie, daß jemand viel Fahrrad In den Adern hat?«

»Wenn sein Anteil über Vierzig liegt, merkt man es unverkennbar an seinem Gang. Der Gang wird immer schneidig sein, er wird sich nie hinsetzen, und er wird sich mit dem Ellenbogen gegen die Wand lehnen und so die ganze Nacht lang in der Küche bleiben, anstatt ins Bett zu gehen. Wenn er zu langsam geht oder mitten auf der Straße stehenbleibt, wird er der Lange nach hinschlagen und sich von Dritten aufhelfen und anschieben lassen müssen. Dies ist der traurige Zustand, in den der Briefträger sich geradelt hat, und ich glaube nicht, daß er sich je wieder herausradeln wird.« »Ich glaube nicht, daß ich jemals radfahren möchte«, sagte ich. »Ein bißchen kann nicht schaden, es härtet ab und versorgt den Körper mit Eisen. Aber zu weit, zu oft und zu schnell zu gehen, ist auch keineswegs gesund. Der kontinuierliche Aufprall der Füße auf den Straßenboden bewirkt, daß Sie eine gewisse Quantität Straße in sich aufnehmen. Wenn ein Mensch stirbt, sagt man, er werde wieder zu Lehm, aber zuviel Gehen stopft Sie noch viel früher mit Lehm voll (oder es beerdigt Sie Stück für Stück in der Landstraße) und bringt Sie dem Tod auf halbem Wege näher. Es ist nicht leicht zu entscheiden, welches die beste Art der Fortbewegung ist.«

Als er mit Reden fertig war, bemerkte ich, daß ich behende und leichtfüßig auf Zehenspitzen ging, um mein Leben zu verlängern. Mein Kopf war mit Ängsten und vermischten Wahrnehmungen vollgestopft.- (obr)

 Fahrrorg (4)  In diesem Augenblick näherte sich ein Mann mit langen, hinter sich ausgebreiteten Rockschößen rasch auf einem Fahrrad und rollte den Hügel, der vor uns lag, im wohltuenden Frel-lauf hinunter. Ich betrachtete ihn mit dem Scharfblick von sechs Adlern und versuchte herauszufinden, welches das andere trug, und ob es wirklich ein Mann war, der ein Fahrrad geschultert hatte. Ich schien jedoch nichts zu sehen, was denkwürdig oder bemerkenswert gewesen wäre. Der Sergeant blickte in sein schwarzes Notizbuch. »Das war O'Feersa«, sagte er schließlich. »Er belauft sich nur auf dreiundzwanzig Prozent.«

»Er ist zu dreiundzwanzig Prozent ein Fahrrad?«

»Ja.«

»Bedeutet das auch, daß sein Fahrrad zu dreiundzwanzig Prozent ein Mensch ist?«

»So ist es.«

»Wieviel sind es bei Gilhaney?«

»Achtundvlerzig.«

»Dann liegt O'Feersa weit niedriger.«

»Das ist auf den glücklichen Umstand zurückzuführen, daß drei ähnliche Brüder im Hause sind, und daß sie zu arm sind, um pro Stück ein getrenntes Fahrrad zu besitzen. Manche Leute begreifen nie, wie sehr sie von Glück reden können, wenn sie ärmer sind als jeder andere. Vor sechs Jahren hat ein O'Feersa im Preisausschreiben von John Bull zehn Pfund gewonnen. Als ich von dieser Kunde Wind bekam, wußte Ich, daß ich Schritte einleiten mußte, wenn die Familie nicht zwei weitere Fahrräder bekommen sollte, denn Sie werden verstehen, daß ich in einer Woche nur eine begrenzte Anzahl von Fahrrädern stehlen kann. Ich wollte nicht, daß mir alle drei O'Feersas gleichzeitig zur Last fielen. Glücklicherweise kannte ich den Briefträger sehr gut. Der Briefträger! Allmächtige heilige leidende Hafergrützengummischüssel!« Die Erinnerung an den Briefträger schien dem Sergeant Vorwand für nicht enden wollende Heiterkeit und Anlaß für verworrene Bewegungen seiner roten Hände zu sein.

»Der Briefträger?« sagte Ich.

»Elnundsiebzig Prozent«, sagte er leise.

»Grundgütiger!«

»Vierzig Jahre lang jeden Tag eine Runde von achtunddreißig Meilen mit dem Fahrrad, bei Hagel, Regen und Schneeball. Es besteht sehr wenig Hoffnung, ihn jemals wieder unter die Fünfzig-Prozent-Marke zu drücken.«

»Haben Sie ihn bestochen?«

»Natürlich. Zwei von diesen kleinen Strippen, die man an der Radnabe befestigt, damit sie fein adrett und glänzend bleibt.«

»Und wie benehmen sich die Fahrräder dieser Leute?«

»Die Fahrräder dieser Leute?«

»Ich meine die Leute dieser Fahrräder, oder wie immer die korrekte Bezeichnung lauten mag ... diejenigen mit den zwei Rädern und einer Lenkstange.«

»Das Benehmen eines Fahrrades mit hohem Humanitäts-Antell«, sagte er, »ist sehr listig und überaus bemerkenswert. Man sieht nie, wie sie sich aus eigener Kraft bewegen, aber man trifft sie unerwartet an kaum erklärlichen Orten. Haben Sie noch nie ein Fahrrad gesehen, in einer warmen Küche gegen die Anrichte gelehnt, während es draußen gießt?«

»Doch.«

»Nicht sehr weit vom Herd entfernt?« »Ja.«

»In Hörweite, nah genug, um die Gespräche der Familie zu verfolgen?«

»Ja.«  - (obr)

Menschen, gemischte Fahrrad

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