ahrplan   Überall erschienen bald Kommentare. Fabelhafte Konjekturen wurden erhoben und willig verwertet. Lob gebührt dem Manne, der nicht nur feststellte, daß es im Muck-Bruggenauschen Werke das vom Verfasser selbst in diskursiver Rede geforderte Inkommensurable wirklich gebe, nämlich in Gestalt des fiktiven Ortes Muck-Bruggenau, dessen Löschung der Planende im Übergang vom ersten Versuche zum endgültigen Kursbuch mußte vergessen haben, sondern daß dieser Ort, dessen geographischer Nachweis natürlich nicht glückte, sogar als Mittelpunkt des ganzen Fahrplanes anzusprechen sei.

Irgendwo in dem regen Verkehrsdreieck Talbrugg-Scholberach-Talen-Eggeln hatte man ihn sich zu denken. Vertraute man dem Fahrplan, so liefen dort unentwegt Züge ein, wurden dort durstige Lokomotiven mit Wasser versorgt, Hunderte Tonnen Frachtguts umgelegt. Jäh hielten dort jene senkrechten Linien ein, die in einem Kursbuch die Durchfahrt von Fernzügen verdeutlichen: Muck-Bruggenau war ein Verkehrsknotenpunkt erster Ordnung. Kein Zweifel, daß sich in die Muck-Bruggenausche Kalkulation eine irrationale Größe eingeschlichen hatte, die sie jedoch mitnichten aufhob, sondern aufs schönste erfüllte. Durfte man dem Kursbuch glauben, so berührten fast alle Züge diesen Ort irgendwann auf ihrer Reise - vielleicht in einem Augenblick, da alle schliefen, so daß ihnen der Anblick des Vorstehers dieses Bahnhofs, wie er in roter Mütze und erhobener Kelle in Habt-acht-Stellung die unaufhörliche Parade der Züge abnahm, entging.

Vorschlägen, diesen Ort eigens zu errichten, widersetzte sich Muck-Bruggenau mit Erfolg. Gleichwohl ließ er sich dort, wo man ihn, gäbe es ihn wirklich, hätte vermuten dürfen, nieder, und konnte sich nun, ob in einem Sessel sitzend oder draußen im Garten mit den Rosen beschäftigt, stets im Mittelpunkt eines Bahnnetzes fühlen, dessen Schienenstränge das Land in neuer Weise verbanden.   - Reinhard Lettau, Schwierigkeiten beim Häuserbauen. [Mit Aufritt Manigs]. Frankfurt/M. - Berlin - Wien 1982 (zuerst 1962)