Vergeblich suchte er nach einer dunklen Ecke, in der er einen Beobachtungsposten beziehen konnte, wenn er sich davon auch nicht viel versprach. Das Leichenschauhaus war ein moderner Bau wie die meisten Häuser der Stadt und fast alle öffentlichen Gebäude.
Es wirkte noch unheimlicher als das finstere alte Leichenschauhaus am Quai de l'Orloge in Paris, und zwar gerade wegen der klaren, übersichtlichen Einteilung, der eintönig weißen Wände, der grellen Beleuchtung und der glatten, sauberen Kühlmaschinen, die an ein Elektrizitätswerk erinnerten.
Man mußte dabei an eine moderne Fabrik denken, eine Fabrik, deren Rohmaterial menschliche Leichen waren.
Der falsche Louis Jeunet war da, weniger entstellt, als zu erwarten war, denn den Fachleuten war es gelungen, sein Gesicht halbwegs wiederherzustellen.
In der Nähe lag eine junge Frau, die im Hafen ertrunken und herausgefischt worden war.
Der Wärter, der in einer blitzsauberen Uniform vor Gesundheit strahlte, machte den Eindruck eines Museumswächters.
Maigret sah wider Erwarten innerhalb einer Stunde ungefähr dreißig Besucher vorbeiziehen. Als eine Frau eine Leiche sehen wollte, die nicht in der großen Halle ausgestellt war, begannen elektrische Glocken zu schrillen und Nummern wurden telefonisch durchgesagt.
Aus einem riesigen Schrank, der
im ersten Stock die ganze Wand eines großen
Raumes einnahm, glitt ein Kasten auf einen Lastenaufzug, und
nach einigen Sekunden kam ein stählerner Behälter im Erdgeschoß
aus dem Fahrstuhl heraus, wie in manchen großen Bibliotheken
die Bücher im Lesesaal eintreffen. -
Georges Simenon, Maigret unter den Anarchisten. München 1972
(Heyne Simenon-Kriminalromane 92, zuerst 1931)
- (
gom
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