xtravaganz  Er hielt sich außerdem einen Trupp Spielleute, unter ihnen zehn Tänzerinnen und zehn Balladensänger, daneben Moriskentänzer, Zauberkünstier und Ausrufer aller Art. Das Theater, in dem sie auftraten, war ohne jede Rücksicht auf Kosten ausgestattet. Jeden Abend gab es, zum Amüsement des Schloßherrn, seines Hofes und der Freunde, die sich seiner verschwenderischen Gastfreundschaft erfreuten, Mysterienspiele und Moriskentänze.

Mit 23 Jahren heiratete Gilles de Retz Catherine de Touars, eine reiche Erbin, für die er sein Schloß mit einem Aufwand von 100 000 Kronen neu ausstatten ließ. Die Hochzeit war das Signal für neue, noch wahnsinnigere Extravaganzen: Er ließ die besten Sänger und die berühmtesten Tänzer aus allen Ländern Europas kommen, um ihn und seine junge Frau zu unterhalten, veranstaltete fast jede Woche für alle Ritter und Adligen der Bretagne Kampfspiele und Turniere auf dem großen Hof seines Schlosses, die um vieles glanzvoller waren als die des Herzogs von Bretagne. Seine äußerste Geringschätzung des Reichtums war so wohlbekannt, daß er oft verleitet wurde, Dinge zum Dreifachen ihres Wertes zu kaufen. Sein Schloß war voll von elenden Schmarotzern und Nutznießern seiner Vergnügungen, die er mit vollen Händen beschenkte.

Irgendwann aber hörte die endlose Abfolge der sinnlichen Reize auf, ihn zu ergötzen; er schien genügsamer bei den Freuden der Tafel und machte sich weniger aus den entzückenden Tänzerinnen, die früher seine Aufmerksamkeit so sehr gefesselt hatten. Manchmal wirkte er verdüstert und reserviert; eine unnatürliche Wildheit erschien in seinem Blick, in der man das erste Anzeichen eines beginnenden Wahnsinns zu sehen meinte. Zwar war seine Rede noch immer vernünftig und seine Artigkeit gegenüber den Gästen, die von fern und nah nach Champtoceaux strömten, ungemindert; auch fanden gelehrte Priester, die mit ihm Umgang hatten, kaum einen adligen Herrn in Frankreich so wohlinformiert wie den Baron de Retz. Aber es begannen jetzt finstere Gerüchte im Land umzugehen. Andeutungen über Mordtaten und womöglich noch abscheulichere Verbrechen machten die Runde. Es wurde beobachtet, daß viele kleine Kinder beiderlei Geschlechts plötzlich verschwanden und nie mehr von sich hören ließen. Einige hatte man bis zum Schloß Champtoceaux verfolgt, das sie betraten, aber nie wieder verließen. Natürlich wagte es niemand, einen so mächtigen Mann wie den Maréchal de Retz öffentlich zu beschuldigen. Kam das Thema der verschwundenen Kinder in dessen Gegenwart zur Sprache, so brachte er sein höchstes Erstaunen über ihr geheimnisvolles Schicksal zum Ausdruck und hielt mit seiner Entrüstung über die mutmaßlichen Entführer nicht hinter dem Berg. Aber man ließ sich davon nicht völlig täuschen. Sein Name bekam für kleine Kinder einen ähnlich furchtbaren Klang wie der des Menschenfressers im Märchen, und sie wurden angehalten, um die Türme von Champtoceaux einen möglichst großen Bogen zu machen. - (mack)

Extravaganz  (2)  Für die Geschichte des Papsttums entscheidend wurde die Legende, Sage, Behauptung oder Überlieferung, daß Petrus die christliche Gemeinde in Rom gegründet und 25 Jahre lang geleitet habe, bis er unter Nero den Märtyrertod erlitt. Davon wissen die heiligen Schriften und die anderen frühen Zeugnisse nichts. Sie kennen keinen »Nachfolger« des Petrus oder eine petrinische Sukzession. Erwähnt wird dagegen seine Anwesenheit in Jerusalem in den Jahren 44, 50 und 51. Als Paulus 58 seinen Brief an die Römer schreibt, erwähnt er seinen Kampfgefährten, der dort nach späterer Auffassung als Gemeindehaupt waltete, mit keinem Wort oder Gruß. Erst ab dem zweiten Jahrhundert häufen sich Hinweise auf Petri Anwesenheit und Martyrium in Rom. Danach starb er den Kreuzestod, auf eigenen Wunsch mit dem Kopf nach unten. - Albert Christian Sellner, Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek 260)
 

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