xplosion
Gedankenvoll machte sich Nick Carter zum Ausgehen fertig.
Schnell benachrichtigte er seine Getreuen davon, daß aus der
geplanten Abreise nichts werden konnte, er sie vielmehr in Bälde
zur Mitarbeit in dem neu übernommenen Fall erwartete. Dann verließ
er in seiner bisherigen Verkleidung sein Zimmer und bestieg vor
dem Hotel ein geschlossenes Cab, um nach dem Hause des Ermordeten
zu fahren.
Doch die Fahrt hatte noch nicht lange gedauert, als der nachdenklich vor sich hinbrütende Detektiv plötzlich aufsprang, die eine Wagentür aufstieß und mit Blitzesschnelle auf die Straße hinaussprang.
Das geschah keine Sekunde zu früh, denn schon erfüllte eine betäubende Explosion die Luft.
Das Cab wurde hochgehoben und in tausend Splitter zerrissen, während Kissen und Holzwerk gleichzeitig zu brennen begannen.
Gerade, als Nicks Füße das Pflaster erreicht hatten, erfolgte die Explosion. Er selbst wurde mit furchtbarer Gewalt über den Straßendamm nach den Mauern der einen Häuserreihe geschleudert und sein Schädel wäre an diesen zerschmettert worden, hätte nicht zufällig in dem einen Hause ein Umzug stattgefunden. Matratzen waren gegen die Hausmauer gelehnt, gegen diese prallte der Körper des Detektivs und sie milderten die Gewalt des sonst verhängnisvoll gewordenen Stoßes.
Durch die Gewalt der Explosion wurde Nick
an die
Mauer des gegenüberliegenden Gebäudes geschleudert.
Wohl eine Minute lag der Detektiv halb bewußtlos auf dem Trottoir, dann jedoch kam er wieder zu sich, setzte sich rasch auf und starrte verstört um sich.
Den Straßendamm bedeckte noch eine dichte Rauchwolke und die Luft füllte Pulvergeruch.
Im Umkreise war jede Fensterscheibe zerbrochen und der große Möbelwagen stand plötzlich der Quere mitten in der Straße. Die Arbeitsleute waren zum Glück im Haus beschäftigt gewesen, als die Explosion sich ereignete, und der Kutscher kam nun eilig herbei, um die wild in den Strängen schlagenden Pferde zu beruhigen. Die bei den Matratzen auf dem Bürgersteig aufgestellt gewesenen Möbelstücke waren größtenteils zerschmettert. Das vor dem Unglückscab gespannt gewesene Pferd lag auf dem Pflaster und wand sich vor Schmerzen.
Der Kutscher war über den Kopf seines Tieres geschleudert worden; er schien unverletzt geblieben zu sein, war aber noch völlig betäubt und konnte seinem Pferde nicht zu Hilfe kommen.
Nick stand auf und betastete seine Glieder. »Well, alles ist
heil und ganz«, brummte er vor sich, »mein Glück
blieb mir wieder einmal treu!« - Ein Dynamit-Attentat,
aus: Die großen
Detektiv
e,
Bd. 2. Hg. Werner Berthel, Frankfurt am Main 1980, it 368)
Explosion (2) Alle Mädchen mit roten Strümpfen; alle hatten Zinnober in den Eimern : ein langer Pulversilo skalpierte sich selbst, und ließ sein Blumengehirn übertrüffeln : unten beging er Harakiri, und wiegte oft den denkmaligen Leib über dem blutenden Schlitz, ehe er den Oberrumpf abwarf. Weiße Hände hantierten geschäftig im Überall; manche hatten zehn gliedlose Finger und einen aus lauter roten Knubben (und unter uns stampfte rhythmisch der große Holzschuhtanz !). HJ kroch werwölfisch umher. Feuerwehren irrten flink. Hunderte Arme spritzten aus der Grasnarbe und verteilten steinerne Flugblätter, auf jedem stand »Tod«, groß wie ein Tisch.
Betongeier mit glühenden Eisenkrallen flogen mißtönig schreiend über uns hinweg, in großen Scharen (bis sie drüben in der Siedlung ein Opfer erspäht hatten und niederstießen). Eine zackengelbe Kathedrale stand brüllend in der violettgefransten Nacht : so flog der Dicke Turm in die Luft ! Büschel lieberoter Leuchtkugeln wiegten sich über Bommelsen, und wir hatten zweifarbige Gesichter : die rechte Hälfte grün, die linke wolkiges Braun; der Boden tanzte unter uns weg; wir warfen die langen Beine im Takt; ein Lichtseil loopte wahnsinnige Kurven am Himmel : rechts bonbonglas, links tiefes Taumelviolett.
Der Himmel erhielt die Gestalt einer Säge, die Erde ein roter lebhafter Teich.
Und schwarze zappelnde Menschenfische : ein Mädchen mit nacktem Oberkörper sprengte kekkernd heran, und die Haut hing ihr um die verschrumpften Brüste als Spitzenkrausen; aus den Achseln wehten ihr die Arme hinterher wie zwei weiße Leinenbänder. Die roten Wischlappen am Himmel schrubbten polternd Blut. Ein langer Plattenwagen voll gekochter und gebackener Menschen schwebte auf Gummirädern lautlos vorbei. Immer wieder erfaßten uns luftige Riesenhände, hoben uns an und warfen uns. Unsichtbare rempelten uns aneinander, bis wir vor Schweiß und Ermattung zitterten (mein schönes schwitzendes Stinkmädchen : komm doch weg !)
Ein vergrabener Spiritustank rüttelte sich frei, rollte sich auf wie Marienglas auf heißer Hand, und zerging in einen Halemaumau (aus dem Feuerbäche gössen : ein Polizist gebot bestürzt dem rechten davon Einhalt und verdampfte im Dienst). Eine fette Wolkige richtete sich am Magazin auf, blähte den Kugelbauch und rülpste einen Tortenkopf hoch, lachte kehlig : o wat !, und knotete kollernd Arme und Beine durcheinander, wandte sich steatopyg her, und fortzte ganze Garben von heißen Eisenrohren aus, endlos, die Könnerin, daß die Sträucher bei uns knixten und plapperten.
Eine glühende Leiche fiel schmachtend vor mir auf die Kniee, und brachte ihr qualmendes Ständchen; ein Arm flackerte noch und schmorte keck : mitten aus der Luft war sie gekommen, »Vom Himmel hoch«, die Marienerscheinung. (Die Welt war überhaupt voll davon : wenn wieder ein Dach hochklappte, schossen sie von den Simsen wie Taucher, gehelmt oder mit nacktem Haar, flogen ein bißchen, und platzten unten wie Tüten. In Gottes Bubenhand !).
Aus Rubinglas pulste eine Feueraktinie in döblinener Waldung, schwankte huldvoll mit hundert Armtrossen (an deren jeder ein nesselnder Fussel wallte), dann tauchte sie zögernd tiefer ins Nachtmeer, und plänkelte nur noch verstohlen. Ein dreistöckiger Bunker begann sich zu regen : er brummte verschlafen und bewegte Schulterblättriges; dann warf er gurgelnd Dach und Wände ab und die senkrechte Morgenröte machte uns gleich Kleider aus feuerfarbenem Taft und viele hitzige Rosengesichter (bis der schwarze Schlag die Erde unter uns wegzog wie ein Sprungtuch : Ein Auto mit Löschpersonal stürzte wirbelnd vom Himmel, krümmte sich ein paarmal und verreckte nickend im Kies; die Leichen lehnten animiert umeinander).
(Eine Zeit lang fielen breite stille Feuerflocken um uns, come di neve in Alpe senza vento : ich schlug sie mit Hand und Mütze von Käthes Göttin fort, und bat um sie herum : sie strich mir eine vom grauen glimmenden Haar, und sah weiter, wie sich die Schatten zischend kielholten).
Ein steifer Mann erschien am Himmel, in jeder Hand einen Hochofen : er prophezeite so Tod und Tod, daß ich an meiner Hand schob, und die Knochen dunkel durchs feurige Fleisch sah. Zwei lange Lichtschenkel steppten jene Mauern nieder; die Straße erbleichte davor und schmolz zum Teil. Auf Bahren trug man viel schwarze schmierige Koffer vorbei : die Arbeiter der dritten Schicht, erklärte der oberste Kondukteur, und setzte sich wieder mit wehender Zunge an die stumme Spitze. Meteore zogen hupend durch die obere Luft; Bauernhäuser schüttelten sich vor Lachen, daß die Schindeln heruntersprangen; Feuerkünste spielten überall gottvergessen und Funkenfontänen geyserten.
In der weinenden Schnattergruppe am Straßenrand wurde eine Frau verrückt: sie krampfte die Röcke in dicken Fäusten hoch bis zum Bauch, aufklemmte den Mund, sperrhölzern, und stürzte vor ihrem groben Geelhaar in die jazzenden Trümmer; auf einmal wurde der Boden vor uns glühend : eine dicke Ader schwoll auf, verzweigte sich heller, pulste und blubbte suppen, und zerriß seufzend (daß die weiße Luft uns fast erwürgte, und wir kotzend ins Rückendämmrige tasteten. Eine Tanne fing schreiend zu brennen an, Rock und Haare, Alles; aber das war nichts gegen die röhrigen Bässe, die aus den Lichtfudern befahlen und zaunhohe Flammenzähne knirschten).
Eben : ritt das dicke Weib von vorhin auf einem Roßbrocken dicht über uns durch die Luft, glomm und zunderte verzweifelt nach der Mamma ! Von hinten hetzte uns immer Wind zwischen die Beine, schleppte Keucher und kondolierenden Staub dazu, und machte, wenn es ihm einfiel,, schwankende Funkenzelte. Ein Lichtpenis, schornsteinlang, stieß zuckend der Nacht ins Zottige (knickte dann aber zu früh ab; und rechts schuhplattelte dafür schon jauchzend eine rotbärtige Flammensäule, daß der Grus unter uns murrte und aufschluckte).
Eine pfeifende Stimme lief vor einem Menschen her, der sich eins brannte; er wurde mit der Stirn an einen Stumpf geklebt und zappelte da noch lange. Die zackigen Schalle schlugen uns wie mit Morgensternen; das beizende Licht fraß die Haut um die Augen; neben uns brachen Schatten in die Kniee. Bunker B 1107 brüllte wie ein Stier, ehe er den verfilzten Betonschädel hochschüttelte : dann riß ihm der Wanst auf und Rotglut hieb uns den Atem ein. (Ich klebte Käthe mehr nasse Taschentücher vor den sperrenden Mund und die große bebende Nase).
Die schwarzgelben Fetzen der Nacht flogen ! (Einmal trug die Harlekine lauter rote Schlipse !): vier Männer rannten hinter einer Riesenschlange her, die über den Bahndamm sprang und vorne zischte und geiferte; sie stemmten die Hacken ein und brüllten scheinbar (aber nur die Gesichter gafften auf; und die lächerlichen Helme der tapferen Idioten). Lichtplakate erschienen so schnell ringsum, daß man die Dröhnenden gar nicht alle lesen konnte (bloß die Augen wurden von den giftigen Farben verklebt, und schlitzten sich nur mühsam und automaten wieder : »Komm doch ! Käthe !«. Schnalzende Flammenhuren, ganz in rot, mit spitzen schräggeschminkten Gesichtern, machten einen scharfen Ausflug bis vor uns, blähten die glatten Bäuche vor, Lachen knisterte, und kamen noch näher ins bordellene Luderlicht: »Komm doch, Käthe !«).
Die Nacht schmatzte wieder mit vielen blanken Lippen
und Zungen, und zeigte ein paar reizvolle Entkleidungen, daß
die bunten Klunkern umherrieselten : dann setzte schon endlos
knatternder Beifall ein (und Trampeln, daß uns der Kopf klirrte).
LKWs mit fuchtelnder SA fuhren etwas zu weit hinein : die Burschen
sprangen ab, zischten wie Streichhölzer und verschwanden (während
auch ihre Fuhrwerke hopsend zerliefen). Ein greinender Junge
trug seine queren Arme zu uns her : das Fell zottelte ihm wie
ein Handtuch von den Wagerechten; er zeigte kupferne Zähne, und
wimmerte im Takt der Detonationen, wenn der Gorilla
wieder seine Brust rumpelte. - Arno Schmidt, Aus dem Leben
eines Fauns. 1953
Explosion (3) »Stella«, erklärte
die junge Dame freundlich, aber am Ende
ihrer Geduld, »man tut nichts bei Explosionen. Explosionen sind
durchaus in der Lage, selbst etwas zu tun ... und zwar alles
mögliche. Man kann für eine Explosion nichts Besseres tun, als
sie in Ruhe zu lassen, bis man weiß, wo die Trümmer liegen. Außerdem
kann man eine Explosion respektvoll in der Wochenschau betrachten
und mit ihren schrecklichen Folgen zufrieden sein. Vielleicht
wird Ihnen am nächsten Donnerstag, Ihrem nächsten freien Abend,
wegen dieser Explosion das Herz stehenbleiben«, nach einer Pause
fügte sie hinzu, »wenn Ihnen Ihr tapferer Tim ins linke Ohr keucht.«
- (
goetter
)
Explosion (4)
- Férat/Barbant in: Jules Verne, Die geheimnisvolle Insel. In:
Weltuntergangsgeschichten. Von Poe bis Dürrenmatt. Zürich 1981
Explosion (5) Am 17. April 1916, gegen 22 Uhr 30 , erbebten die Grundfesten des Berges. Ein schmetternder Donnerschlag folgte, die Spitze des Col di Lana klaffte auseinander und eine Feuergarbe stieg zum sternbesäten Himmel empor. Gewaltige Felsblöcke flogen zwischen dem Granathagel der Artillerie umher, teilweise im Umkreis von bis zu 500 Metern. Statt der Spitze gewahrte man einen ovalen Trichter von 30 zu 50 Metern Ausdehnung. Etwa 10.000 Tonnen Gesteinsmassen waren insgesamt durch die Luft geflogen. Die österreichischen Hindernisse und Gräben waren verschwunden, ihre Besatzungen unter den Trümmern begraben.
Nur ein einziger Österreicher war dem Tod oder der Gefangennahme entgangen. Ihn hatte der ungeheure Luftdruck der Explosion über die Felsenschlucht hinweg auf den zirka 700 Meter entfernten Gipfel des Monte Sief geschleudert.Aber auch von ihm konnten die Österreicher, bei denen völlige Unklarheit über die Lage herrschte, nichts in Erfahrung bringen, da der Mann einen Schock erlitten und die Sprache verloren hatte.
Nur ein Mann der Besatzung entging dem Tod und der Gefangenschaft. Hunderte von Metern weit flog er durch den Luftdruck der Mine in die Siefschlucht hinab und kämpfte sich in unsäglicher Mühe in fast zweitägigem Kriechen bis in die eigenen Linien zurück. Aber er konnte nichts berichten, denn der Schrecken hatte ihm die Sprache geraubt.
Feldkurat Professor Doktor Anselm Blumenschein aus Kremsmünster, zugeteilt dem 2.Regiment der Kaiserjäger, begab sich,als die Sprengung des Col di Lana unmittelbar bevorstand, vom Lager Alpenrose auf die Spitze, um im schwersten Augenblick der Besatzung Trost zu bringen und bei ihr auszuharren. Er fiel bei der Sprengung und wurde von den Italienern auf dem Rücken liegend, mit gefalteten Händen, aufgefunden.
Beide Seiten, sowohl die Österreicher wie die Italiener, stellten nachträglich übereinstimmend fest, daß die Sprengung des Col di Lana zwar ein großer technischer Erfolg gewesen war, aber nur zu einem taktisch bedeutungslosen Geländegewinn beziehungsweise -verlust geführt hatte.
Tschin-Bum nannten die österreichischen Gebirgstruppen das Schnellfeuergewehr,
schwere feindliche Geschütze Bufferln.
- Nach: Uwe Nettelbeck, Der Dolomitenkrieg. In: U. N., Mainz wie es singt und lacht Die Ballonfahrer Briefe
Mainz bleibt Mainz Gespenstergeschichten Der Dolomitenkrieg Nachträge Frankfurt
am Main 1976 (entst. 1969-1976)
Explosion (6) Als George Ealer die
Schornsteine vor sich in die Luft fliegen sah, wußte er, was los war. Er verhüllte
sein Gesicht mit den Rockaufschlägen seines Mantels und preßte die Hände fest
dagegen, um zu verhüten, daß ihm Dampf in Nase oder Mund kommen könnte. Er hatte
reichlich Zeit, diese schützende Vorkehrung zu treffen, als er in die Luft geschleudert
wurde und wieder herunterkam. Er landete oben auf einem der nichtexplodierten
Kessel, ungefähr zehn Meter von dem ehemaligen Lotsenhaus entfernt. Mit ihm
landeten sein Steuerrad und ein Hagel von anderen Dingen, alles eingehüllt in
eine Wolke glühenden Dampfes. Alle die vielen, die den Dampf einatmeten, starben;
keiner von ihnen kam mit dem Leben davon. Ealer aber atmete keinen Dampf ein.
So schnell er konnte, arbeitete er sich ins Freie. Als der Dampf sich verzogen
hatte, kehrte er zurück, kletterte wieder auf den Kessel und suchte geduldig
nach jeder einzelnen seiner Schachfiguren und den verschiedenen Teilen seiner
Flöte. - Mark Twain, Leben auf dem Mississippi. Frankfurt am Main 1985
(it 836, zuerst 1883)
Explosion (7) Der Mensch, der schießt, ist ebenso unschuldig wie der Kessel, der explodiert, die Eisenbahnschiene, die sich verbiegt, der Blitz, der einschlägt, die Lawine, die verschüttet. Alles tötet den Menschen, auch der Mensch tötet den Menschen.
Wann der Mensch tötet, ist so wenig vorauszusehen wie der Zeitpunkt, wann
der Blitz einschlägt. Aber die Bedingungen, unter denen die Natur gegen die
Menschen wütet, sind nachträglich oft leichter zu erklären als der gewaltsame
Ausbruch des Stückes Natur, das sich Mensch nennt. Um die Missetaten der Natur
zu erklären, hat man allerhand Hilfsmittel ersonnen, zum Beispiel Instrumente.
Zur Erklärung der Explosion eines Menschen benutzt
man die Psychologie. - Sling, Der Fassadenkletterer
vom "Kaiserhof". Berliner Kriminalfälle aus den Zwanziger Jahren.
Hg. Ruth Greuner. Berlin 1990
Explosion (8)
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