xorzismus     Die Liebe zum Exzeß, zum Makabren und zum Beklemmenden ist nichts anderes als ein äußerster, gewaltsamer und unverzeihlicher Versuch, die Wirklichkeit zu exorzisieren; denn die sogenannte Wirklichkeit ist das Übel, die Grenze, das Verbot, das Elend, die Sinnlosigkeit; sie muß mit Formeln äußerster Gewaltsamkeit und mit Gesten einer entsetzlichen und absurden Frechheit herausgefordert werden, angesichts derer sie sich als einzige, rein pathologische Halluzination in Nichts auflöst.   - Manganelli furioso. Handbuch für unnütze Leidenschaften. Berlin 1985

Exorzismus (2)  In der Nähe von Siena wird ein vor zwei Jahren erbautes, hübsches und angenehmes Häuschen mit Garten für zwei Millionen zum Kauf angeboten. Es ist mindestens zwanzig Millionen wert, aber man bringt es selbst für zwei Millionen nicht an den Mann. In dem Haus spukt es nämlich. Es sind die Geister jener Toten, deren Gebeine von diesem Grundstück auf den Friedhof überführt wurden, nachdem man beim Erdaushub für das Fundament auf immer mehr Knochen gestoßen war, so daß man vermutete, es handle sich um ein Massengrab, wie sie während der Pestzeit angelegt wurden. Nach der pietätvollen Überführung der Gebeine auf den Friedhof glaubte der Bauherr, das Haus nun unbeschadet und ungestört bewohnen zu können. Statt dessen begann der schreckliche nächtliche Spuk. Meist Geräusche, aber anscheinend flogen - im wahrsten Sinne des Wortes - auch Ohrfeigen durch die Luft.

Man rief den Pfarrer, der das Haus segnen sollte, aber es half nichts. Man holte Priester und Mönche, die als besondere Spezialisten für Segnungen und Exorzismen galten, doch der nächtliche Spuk hielt weiter an. Es begannen Gerüchte umzugehen, und auch das Kommen und Gehen der Geisteraustreiber blieb nicht unbemerkt. Die Besitzer stritten zuerst alles ab und versuchten, so lange in dem Haus zu bleiben, bis sich ein Käufer fand. Aber sie hielten nicht durch. Schließlich bewohnten sie es nur noch tagsüber und verließen es abends, wie man sagt, im Schutz der Dunkelheit. - Leonardo Sciascia, Schwarz auf schwarz. München 1991 (dtv 11328, zuerst 1979)

Exorzismus (3)  Es  rauschte und kratzte  hinter der Wand, eine Katze schoss aus dem Kamin und fuhr in wenigen Sätzen auf einen Betthimmel. Der böse Geist, ein Zauberer schien gegenwärtig. Viele zitterten und wurden blass, andere wollten fliehen; doch rissen zwei beherztere die furchtbare Katze herab, setzten sie aufs Bett der Priorin, und Barre griff sie mit den kräftigsten Beschwörungsformeln an. Der Exorcismus rührte aber die Katze nicht, sie blieb ruhig und freundlich auf dem Bette liegen, als hätte sie schon oft diesen Platz inne gehabt. - (hel)

Exorzismus (4)  Der Teufel ist stolz, sagt Luther, am besten vertreibt man ihn mit Hohn, wie jene Frau, der er in Gestalt einer Ratte über das Bett lief. Sie wandte den A ... zum Bett heraus und ließ, mit Zucht zu melden, einen streichen mit den Worten: „Da, Teufel, hast du einen Stab, wallfahrte damit nach Rom zu deinem Abgotte, und laß mich!" - (kjw)

Exorzismus (5)  Eine 1587 in Padua erschienene Practica für Exorzisten enthielt eine Checkliste für katholische Priester:  

Was man von dem Dämon in Erfahrung bringen muß. Seinen Namen, damit man ihn auf Papier schreiben und verbrennen kann. Die Namen seiner Genossen und ihre Zahl. Heilige Wörter, die er besonders verabscheut, damit man sie immer wieder aussprechen kann. Man hüte sich aber vor neugierigen Abschweifungen.

Auch halte man sich von ihm fern, wenn er aus eigenem Antrieb zuviele Mitteilungen von sich gibt. - (pan)

Exorzismus (6)

Exorzismus (7)  „Natürlich spürst du diesen Drang, Rodri. Natürlich verspürst du ihn. Nur du hast davon gesprochen, die Nachbarskinder umzubringen. Keiner hat sie auch nur mit einem Sterbenswörtchen erwähnt. Nur du hast davon gesprochen. Weil du nämlich den inneren Drang verspürst, sie umzubringen. Genau wie Carmen und die Kinder..."

„Nein!" Rodri war drauf und dran, wieder in Tränen auszubrechen. Er war schockiert über seine eigenen geheimen Wünsche.

„Oh doch, Rodri. Du hast Lust, sie zu töten. Aber das ist ja nichts Schlimmes. Es ist nicht deine Schuld. Diese Lust, zu töten, kommt ganz von allein, ohne daß du es willst..."

„Ich will's aber nicht!"

„Nein, nein, natürlich nicht."

Rodri preßte die Lippen aufeinander.

„Ich will aber keine unschuldigen Wesen umbringen", schluchzte Rodri.

„Carmen war kein unschuldiges Wesen, Rodri", anwortete Damayor. Sänchez hatte Lust, sich einzumischen.

„Aber du bist unschuldig", sagte er unsicher. „Du hast dich nur gegen die Bestie, die in dir ist, gewehrt. Es gibt eine Bestie in dir, die dich zur Sünde treibt..."

Rodri riß die Augen weit auf.

„Ich bin vom Teufel besessen..." stammelte er entsetzt.

„Wir werden den Teufel austreiben", beruhigte ihn Damayor.

„Als du Carmen und die Kinder umgebracht hast, hast du schon angefangen, ihn auszutreiben", improvisierte Sánchez.

„Hast du das nicht gemerkt? Hast dich doch nach der Tat viel besser gefühlt, oder?"

„Ja, ja... Neinl"

„Doch! Du hast es mir selbst gesagt. Nur dadurch, daß du sie getötet hast, konntest du dich von dem Teufel, der dich quält, befreien. Deshalb ging's dir hinterher viel besser."

Rodri kaute auf seiner Unterlippe und starrte auf den Boden. Er sah todmüde aus.

„Laß dich gehen, mein Junge, laß dich einfach gehen", sagte Damayor mit seiner hypnotisierenden Stimme. „Du mußt deine Triebe akzeptieren, nur dann wirst du sie verstehen, werden wir sie verstehen und dich heilen können. Du hast Angst vor dir selbst. Diese Angst müssen wir bekämpfen. Was kann denn schon passieren? Daß du noch ein Kind umbringst. Na und? Was würde passieren, wenn du noch ein Kind umbringst? Wie würdest du dich dann fühlen, Rodri?"

„Nein! Nein! Nein!" Rodri war zu Tode erschrocken.

„Weißt du, was du fühlen würdest, Rodri? Erleichterung! Die Erleichterung darüber, den Teufel losgeworden zu sein." Die Stimme des Doktors war einschmeichelnd und beruhigend. Sie bewirkte^daß man sich verstanden und wie ein ganz normaler Mensch fühlte.

„Wir alle haben von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, ganz scheußliche Dinge und unerhörte Grausamkeiten zu tun. Manchmal kann es passieren, daß sich unser Trieb gegen uns selbst richtet, wenn wir es nicht schaffen, ihn auszuleben. Dann werden wir krank oder bringen uns am Ende selber um. Wir haben den Teufel im Leib, und wir müssen ihn rauslassen... Erinnerst du dich an deine toten Kinder? An deine tote Frau?"

„Nein, nein!"

„Doch, doch! Du erinnerst dich genau an die Hammerschläge, an das Blut, die Wut, den Tod."

„Nein! Nein! Nein!"

„Du hattest sie genau vor Augen. Du hast sie gesehen. Und das war der Teufel, Rodri! Du hast ihn dort gelassen. Jetzt wird er dich nicht mehr quälen. Hörst du mich, Rodri? Jetzt wird er dich nicht mehr quälen."   - Andreu Martín, Hammerschläge. Bühl-Moos u. Baden-Baden 1991

Exorzismus (7)   Natürlich lassen Dibbuks sich austreiben. Als besonderen Service für meine Leserinnen und Leser beschreibe ich im folgenden die anerkannte und bewährte Methode: Holen Sie einen heiligen Mann, einen Zaddik oder am besten gleich einen Bal Schem, der einem minjen vorsteht. Der heilige Mann wird laut den 91. Psalm vorlesen und dem verfluchten Dibbuk dann mit Donnerstimme befehlen, den Körper des Besessenen zu verlassen und sich in Gottes Namen »zur ewigen Ruhe zu legen«. Der Vorgang ähnelt in hohem Maße den Empfehlungen der katholischen Kirche in ihrem Handbuch De Ordinatione Exorcistarum. Wenn der Dibbuk besonders hartnäckig ist und sich nicht ordnungsgemäß verflüchtigen will, was bei solchen perversen Biestern gelegentlich vorkommt, lässt der Bal Schem ein Widderhorn (scbofar) kommen und zur Verstärkung seiner Befehle kräftig ins Horn stoßen. Das sollte dann aber wirklich genügen.

Eines der liebenswürdigen Details der Legende besagt, dass am rechten kleinen Zeh des Besessenen ein blutrotes Pünktchen von der Größe eines Stecknadelkopfes erscheint, wenn der Dibbuk seinen Körper verlässt. Manchmal findet man auch einen kleinen Sprung in der Fensterscheibe.  - (ji)

Exorzismus (8)  Die Dämonen reden mit Jesus. Sie sagen: Wenn du uns schon vertreibst, dann lass uns dort in die Schweineherde fahren. Müsste man hier nicht auch einen Trick vermuten? Doch Jesus geht darauf ein. Die Dämonen fahren aus dem Mädchen und in die Schweineherde. Und dann rennt die Schweineherde los, stürzt von der Klippe ins Meer und ertrinkt. Die Schweinehirten haben ihren ganzen Besitz verloren. Sie laufen in die Stadt und erzählen das den Leuten dort, worauf die zu Jesus sagen: Wir wollen dich hier nicht. Wahrscheinlich ist ihnen der Preis zu hoch. Aber irgendwohin müssen die Dämonen doch. Man muss ihnen drohen. Muss sie verwandeln. Oder mit ihnen leben. Das geheilte Mädchen aber folgt Jesus nach.  - (raf)

 

Vertreibung Vertreibung Teufel

 

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Verwandte Begriffe
Geister
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