volution, beschleunigte
Eller setzte sich ans Schaltpult. »Setzen Sie sich auch lieber hin,
Blake. Unsere Herzen sind anscheinend geschwächt. Unser Körpergewicht
nimmt ab, so daß später vielleicht-«
»Ihre Theorie! Wie lautet sie?« Blake trat auf ihn zu,
seine schmächtige Knabenbrust hob und senkte sich. Aufmerksam starrte er
Eller an. »Wie lautet sie?«
»Wir entwickeln uns fort«, sagte Eller. »Die Strahlung vom Asteroiden
hat die Zellbildung beschleunigt, ähnlich wie bei Krebs. Aber nicht
völlig ziellos. Diese Veränderungen haben einen Sinn und Zweck, Blake.
Wir verändern uns rasant und durchmessen dabei innerhalb weniger
Sekunden ganze Jahrhunderte.«
Blake starrte ihn an.
»Es stimmt«, sagte Eller. »Ich bin mir ganz sicher. Das vergrößerte Gehirn, die verminderte Sehkraft, der Verlust von Haaren und Zähnen. Die Feininotorik und das taktile Gefühl werden ausgeprägter. Unser Körper hat im wesentlichen Verluste erlitten. Dagegen hat unser Gehirn gewaltig profitiert. Wir haben größere kognitive Fähigkeiten entwickelt. Unser Verstand bewegte sich voraus in die Zukunft. Unser Verstand entwickelt sich fort.«
»Entwickelt sich fort!« Blake setzte sich langsam. »Ist das Ihr Ernst?«
»Ich bin davon überzeugt. Wir müssen natürlich weitere
Röntgenaufnahmen machen. Ich muß die Veränderungen der inneren Organe
sehen, Nieren, Magen. Vermutlich haben wir Teile verloren von unserem -«
»Entwickelt sich fort! Aber das hieße ja, daß Evolution nicht die Folge zufälliger
äußerer Einflüsse ist, nicht die Folge eines Konkurrenzkampfes und
einer ziellos-blinden natürlichen Auslese. Das bedeutet, daß jeder
Organismus den Lauf seiner Entwicklung in sich trägt. Dann ist Evolution
teleologisch, zielgerichtet, nicht zufallsbestimmt.«
Eller nickte. »Unsere Evolution scheint mehr ein inneres
Wachstum, ein Sich-Wandeln in bestimmter Richtung zu sein. Zweifellos
nichts Zufälliges. Es wäre interessant zu wissen, was die
richtungsgebende Kraft ist.«
»Das wirft ein neues Licht auf die Dinge«, murmelte Blake. »Dann sind wir gar keine Monster. Nein, wir sind keine Monster. Wir - wir sind Menschen der Zukunft.«
Eller blickte ihn an. Blakes Stimme hatte einen sonderbaren Klang. »So könnte man es wohl ausdrücken«, räumte er ein. »Natürlich würden wir auf Terra trotzdem als Freaks gelten.«
»Aber sie hätten unrecht«, sagte Blake. »Ja, sie werden
uns ansehen und sagen, daß wir Freaks sind. Aber das sind wir nicht. In
einigen Millionen Jahren wird der Rest der Menschheit dort sein, wo wir
schon jetzt sind. Wir eilen unserer Zeit voraus, Eller.«
Eller betrachtete Blakes großen, ballonartigen Kopf. Nur
undeutlich konnte er die Umrisse ausmachen. Der hellerleuchtetc
Kommandoraum schien fast völlig im Dunkeln zu liegen. Die Sehkraft war
nahezu ganz geschwunden. Eller konnte nur noch undeutliche Schatten
erkennen, mehr nicht.
»Menschen der Zukunft«, sagte Blake. »Keine Monster,
sondern Menschen von morgen. Ja, das wirft allerdings ein neues Licht
auf die Dinge.«
- Philip K. Dick, Die Unendlichen. In: P.K.D., Und jenseits - das Wobb. Sämtliche Erzählungen Band 1. Zürich 1998
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