- Carl Christian Bry, Verkappte Religionen.
Kritik des kollektiven Wahns. Nördlingen 1988 (Greno 10/20 85,
zuerst 1924)
Evidenz (poetische) Vielleicht gereicht die Tatsache, daß ein Gedicht von seinem Verfasser nicht erklärt werden kann, dem Gedicht und seinem Verfasser gar nicht zur Schande, sondern zur Ehre? Gewiß, was allein mir vielleicht zur Schande gereichen würde, wäre dies, daß ein andrer besser als ich ausdrückte, was ich selbst sagen wollte, und mir beispielsweise einen Fehler (eine Unzulänglichkeit) oder im Gegenteil eine Weitschweifigkeit, die ich hätte vermeiden können, nachwiese. Ich meinesteils würde den Irrtum sogleich berichtigen, denn die Vollkommenheit des Gedichts bedeutet mir gewiß mehr als ich weiß nicht welches Gefühl meiner Unfehlbarkeit.
Aber schließlich könnte man vielleicht sagen, ein Gedicht, das überhaupt
keine Erklärung zuläßt, sei per definitionem ein vollkommenes Gedicht? Nein.
Hierfür bedarf es noch andrer Eigenschaften, vielleicht lediglich einer Eigenschaft.
Sokrates war vielleicht gar nicht so dumm,
wie es uns zunächst vorkam. Und vielleicht wäre er gar nicht auf den Gedanken
verfallen, nach einer Erklärung für ein Gedicht zu verlangen, das seine Evidenz
in sich getragen hätte .. . (Aber hätte man es dann noch Gedicht genannt?
...) - (
frp
)
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