ßgruft    Im jalousienblinden, dunkel verhangenen Eßzimmer des Schulhauses, das staubt und hallt wie ein Eßzimmer in einer Gruft, schweigen Mr. und Mrs. Pugh über ihrem zerlaufenen Auflauf aus kaltem grauem Fleisch. Mr. Pugh gabelt einen leblosen Bissen auf und liest dabei Das Leben der großen Giftmörder. Er hat das Buch in undurchsichtiges braunes Packpapier eingeschlagen. Zwischen unlustigen Bissen schielt er listig hinüber zu Mrs. Pugh; er vergiftet sie mit giftigen Blicken. Dann liest er weiter. Er unterstreicht manche Absätze und lächelt still vor sich hin.

MRS. PUGH Leute mit Kinderstube lesen nicht bei Tische,

sagt Mrs. Pugh. Sie schluckt eine Verdauungstablette, so groß wie eine Pferdepille, und trinkt trübes Erbsensuppenwasser nach.

[Pause]

MRS. PUGH Manche Leute sind in Schweineställen aufgewachsen.

MR. PUGH Schweine lesen nicht bei Tisch, meine Liebe.

Verbittert schnippt sie den Staub vom zerbrochenen Salzfaß. Er fällt auf den Auflauf wie Nieselregen.

MR. PUGH  Schweine können nicht lesen, meine liebe.

MRS. PUGH  Ich kenne eines, das kann.

Allein im zischenden Laboratorium seiner Wünsche schleicht Mr. Pugh zwischen argen Kufen und Retorten umher, geht auf Zehenspitzen durch Dickichte von mörderischen Krautern; Todeskrämpfe tanzen in seinen Schmelztiegeln, und er mischt eigens für Mrs. Pugh einen giftigen Haferbrei, unbekannt allen Gerichtsmedizinern; der wird durch ihre Adern sengen und schlangen: ihre Ohren fallen dann ab wie Feigen, ihre Zehen schwellen wie schwarze Ballons, und Dampf sprüht kreischend aus ihrem Nabel.

MR. PUGH Du mußt es ja am besten wissen, meine Liebe,

sagt Mr. Pugh, und taucht sie blitzschnell in Rattengiftsuppe.

MRS. PUGH  Was ist das für ein Buch neben deinem Trog, Pugh?

MR. PUGH  Ein theologisches Werk, meine Liebe. Das Leben der großen Heiligen.

Mrs. Pugh lächelt. Ein Eiszapfen entsteht in der kalten Luft der Eßgruft.    - Dylan Thomas, Unter dem Milchwald. Ein Spiel für Stimmen. Nachdichtung von Erich Fried. Heidelberg 1954