Escapismus    Und plötzlich: „Gesellschaftlicher Escapismus". - Da hockt die Angst, die Angst der Masse, eine wahnwitzige zitternde Angst der Abrichtung durch die Vielen, durch die jetzt wirklich, in dem Zusammenhang, stimmende Bezeichnung: Horde.

Die Angst der Horde, eine fast irrsinnige Angst, jemand könne entfliehen & dadurch ihre lächerlichen Tempeltanzereien um den Begriff Gemeinschaft, Gesellschaft in Frage stellen - ihre verblödenden Riten, die sich menschlich nennen, ihre geschmacklosen Zusammenkünfte, ihre Bierabende. Es ist dieselbe Angst, die sich im religiösen Bereich früher gezeigt hat, und die heute profanisiert, dieselbe Einstellung besitzt -: die Angst vor Entdeckungen, die in das Tagesschema nicht passen, die nicht in hantierbare Begriffe gehen, die sich der allgemeinen Tagesordnung entzieht. - Es ist die Angst, jemand könne entfliehen, („Escapismus": Entzug, Entfliehen, nicht wahr?), und damit diese Diffamierung allen wohlschmeckt, hängt man daran „Gesellschaftlich" - das versöhnt jeden, der im Mief seiner abendländischen Gesinnung, die jetzt Chinesen und Afrikanern und wem sonst noch in den Arsch kriecht, sich wohlfühlt! Und „gesellschaftlich" ist ja auch human: sie verhindert, jetzt angefüllt mit viel zu vielen, was vor 60,70,100 Jahren bereits gewußt wurde, die Individualisierung - denn aus den Vielen wächst wieder der Zwang (ich sehe es an so einem Bewußtsein, wie Du es äußerst, das sich angesichts der Masse und Massenverhältnisse ja beinahe massakriert!) - doch ich halte die Sentimentalität des Soliden, auch die Sentimentalität des Humanen für total Inhuman, ich denke ich schrieb Dir das bereits. - Den Einzelnen, der begabt ist, zu opfern für die Vielen: Menschenopfer im Bewußtsein, altes, 1 Millionen Jahre währendes Horden-Ritual, es vollzieht sich neu: Das nenne ich Inhuman.

: „Gesellschaftlicher Escapismus", schreibst Du - als wäre es mir möglich, dieses Universum zu verlassen, bereits der Gedanke erzeugt Zittern, die Hintergründe des Zitterns habe ich oben versucht kurz zu skizzieren, es ist eine Angst, die sagt: „gesellschaftlicher Escapismus", die im Bewußtsein dessen steckt, der sich so formuliert - und es ist eine billige, schnöde Angst, es ist eine Babie-Angst, und auch hier stimmt meines Erachtens Dein Begriff, in diesem Zusammenhang erst, die in einem Erwachsenen steckt: es ist die Angst, sich formulieren zu müssen, sich ausdrücken zu müssen, seinen Schritt zu machen vor der Horde, gegen die Horde, gegen über l Millionen Jahre Entwicklung - es ist die Angst vor sich selber, denn da sind, in jedem viel größere dunklere Bezirke als die Abrichtung durch die Horde, als die Abrichtung durch Zivilisation, die schreit: „nein, nein, bloß kein gesellschaftlicher Escapismus!" - Und wie schön, wie aufregend, wie lebenswert wäre eine Kultur, die aus vielen Einzelnen besteht, aus einer Anzahl, die über dem Durchschnitt ist, die ihre Entdeckungen auf den Tisch legen kann, ohne die Verkrüpplung zu fürchten, die aufbrechen, jeder für sich, Bezirke zu erobern, Entdeckungen zu machen - wir haben nur noch den Menschen, den Einzelnen zu entdecken, und nicht die Vielen, den Durchschnitt bei Laune zu halten-wie sehr interessant würden Bücher sein, Filme sein, Orte, Fernsehen, wenn es viele gäbe, die sich der gesellschaftlichen Verpflichtung des Tages entzögen und aufgebrochen wären, die nicht jede Winzigkeit über den Leisten der gesellschaftlichen Nützlichkeit schlügen.

Mir ist schon klar, daß unser Abendland verreckt ist, und für mich ist es ein Jammer, fahre ich durch die Gegend und fahre ich durch Menschen, durch Orte, durch Situationen: eine „Frohe Botschaft", wie sie geäußert wird, kann ich nicht mehr erblicken, alles bloß Ramsch, einschließlich Marx. Einschließlich Freud. - Eben: Todesmelodien, human verbrämt. - Ich finde es für mich ein Jammer, inmitten des allgemeinen Verreckens zu leben, denn ich bin hier, im Abendland geboren worden, habe hier eine, wenn auch miese Erziehung genossen, die mich in die Lage versetzt hat, sie mir zum Teil unter viel Mühe und Geld & Zeitaufwand zu erweitern, habe es getan, weil es mir Freude gemacht hat, weil ich es aufregend empfinde, und nicht aus Verpflichtung.   - (rom)

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