rziehung  SIR WILLIAM PLATER, Ritter, war ein Gentleman aus Cambridgeshire. Er hatte guten Landbesitz, ca. 3000 p.a. Ein Gentleman mit sehr guter Erziehung, wie die meisten seinerzeit; hatte Frankreich, Italien etc bereist und verstand diese Sprachen gut. War zur Zeit der jüngsten Kriege einer aus dem Long Parliament.

Er war ein lustiger Mann im Reiche der Heiligen. War ein großer Bewunderer & Liebhaber schöner Frauen, und hielt sich mehrere. Henry Märten und er waren dicke Zechfreunde; doch einmal (etwan 1644) gab es Streit zwischen ihnen: H.M. lud ihn zu einem Gastmahl ein, wo sich Sir William in eine seiner Gespielinnen verliebte und sie ihm entwand: und Sir John Berkinhead machte es dann in seinem Mercurius Aulicus publiq, wie die Heiligen aus allen Wolken fielen. In allen andern Belangen war er mäßig & sparsam.

Er hatte nur einen einzigen Sohn, der hübsch & talentiert war und den er mit aller erdenklichen Umsicht & Educazion großzog; und da er wußte, daß dieser Apfel nicht weit vom Stamme gefallen, trug er Sorge, ihm gesunde & gefällige Frauenzimmer zuzuführen. Er gestand seinem Sohn Freiheiten zu — machte ihm aber Mäßigkeit im Trinken zur Pflicht: auch um seine Kosten zu senken.

Sein Sohn entlohnte ihm die Erziehung aufs trefflichste. Er wurde Colonel im Heer der Königlichen und fiel im Felde: was sich sein Vater so zu Herzen nahm, daß er hernach seines Lebens nicht mehr recht froh ward.   - (aub)

Erziehung (2)  Ein Junge von ohngefähr sechs bis sieben Jahren, verlangte von seiner Mutter ein Stück von einem gebratnen Pinguin, welches sie in Händen hatte, und da sie ihm nicht gleich zu Gefallen war, ergrif er einen großen Stein und warf nach ihr. Sie lief auf ihn zu, um diese Ungezogenheit zu ahnden, kaum aber hatte sie ihm einen Schlag gegeben, als der Mann hervorsprang, sie zu Boden warf und unbarmherzig prügelte. Unsre am Wasserplatz campirenden Leute erzählten meinem Vater, sie wären von dergleichen Grausamkeiten vielfältig Zeugen gewesen und hätten mehr denn einmal gesehen, daß auch die Kinder sogar Hand an ihre unglücklichen Mütter legten und solche in Gegenwart des Vaters schlügen, der gleichsam nur Acht gäbe, ob sich jene etwa wehren oder wiedersetzen würde. Zwar pflegen fast alle wilde Völker, in so fern sie blos das Recht des Stärkern unter sich gelten lassen, ihre Weiber durchgehends als Sciavinnen anzusehn, die den Männern Kleider machen, Hütten bauen. Speisen kochen und zutragen, und bey aller ihrer Dienstbarkeit doch noch mit der härtesten Begegnung vorlieb nehmen müssen: Allein in Neu-Seeland scheint diese Tyranney viel weiter getrieben zu seyn, denn irgend sonst wo. Die Mannspersonen werden daselbst von Kindheit auf ordentlich dazu angehalten, daß sie ihre Mütter gegen alle Grundsätze der Sittlichkeit verachten müssen.  - (for)

Erziehung (3)  Die Menschen erscheinen in ihren Handlungen, wie sie sind; jeder tut, was er nicht lassen kann, und trägt die unausbleibliche Folge. Wenn ein Thron stürzt, und zwar so leicht und ohne Anstrengung, wie es bei uns der Fall gewesen ist, so ist es doch wohl augenscheinlich, daß alle seine Stützen und Untergestelle schon morsch gewesen sind! Nun bedurfte es nur jenes weltbekannten Zusammenflusses wm Ursachen, die im Jahre 1787 die unbegreifliche Schwäche und Hülflosigkeit des französischen Hofes vor aller Augen entblößten, und jede nachherige Katastrophe folgt in einer nicht zu unterbrechenden, nicht zu ändernden Verkettung. Fragen Sie, warum die Vorsehung dieses Mißverhältnis zwischen der Unhaltbarkeit einer Regierung und der Unfähigkeit des Volkes, sich eine neue zu schaffen, geduldet und in dieser Zeitpünkt die Revolution hat fallen lassen? - Wer anders kann Ihnen antworten als die unbegreifliche und unergründliche Weisheit der Vorsehung selbst! Ich fühle nicht den Beruf, diesen Artikel der Theodizee auszuarbeiten, wenn ich gleich für mich überzeugt bin, daß unsre Revolution, als Werk der Vorsehung, in dem erhabenen Plan ihrer Erziehung des Menschengeschlechtes gerade am rechten Orte steht und daß Frankreich nach dem schweren Verhängnisse, das über ihm waltet, sich dennoch zu einer geläuterten, vernünftigen, wohltätigen Verfassung emporarbeiten wird. - «Wer aber diese Revolution als eine bloß französische ansieht», hat Mallet du Pan mit einem echten Sehergeiste gesagt, «der ist unfähig, sie zu beurteilen»; denn sie ist die größte, die wichtigste, die erstaunenswürdigste Revolution der sittlichen Bildung und Entwickelung des ganzen Menschengeschlechts. - Georg Forster, Parisische Umrisse (zuerst anon. 1794). In: G. F., Schriften zu Natur, Kunst, Politik. Reinbek bei Hamburg 1971 (rk 540)

Erziehung (4)  Mein Traktat über Erziehung ist fertig. Ich beweise darin, daß die Erziehung für den Menschen wie für die Tiere dieselbe ist. Sie läuft auf zweierlei hinaus, nicht mehr: Ungerechtigkeiten zu ertragen lernen, Langeweile zu ertragen lernen. Was läßt man in der Reitschule ein Pferd tun? Es geht von Natur in Paß, Trab, Galopp, Schritt. Aber das Pferd wählt die Gangart, wie es ihm gut dünkt und wie es Lust hat. Man lehrt es, diese Gangarten gegen seinen Willen anzunehmen, gegen seine Vernunft (da liegt die Ungerechtigkeit), und sie zwei Stunden lang fortzusetzen (da liegt die Langeweile). Wenn man daher ein Kind Lateinisch, Griechisch oder Französisch lernen läßt, so interessiert nicht das Nützliche der Sache, sondern es muß sich eben daran gewöhnen, den Willen anderer zu tun (und sich zu langweilen), und durch ein Wesen seinesgleichen gestraft zu werden (und zu leiden). Wenn es hieran gewöhnt ist, so ist es dressiert, für die Gesellschaft hergerichtet, geht in die Welt, achtet Beamte, Minister, Könige (und beklagt sich nicht über sie). Der Mensch übt seine Amtsverrichtungen aus, er geht in sein Bureau oder zur Audienz, oder auf den Wachtposten, oder ins Oeil-de-bœuf und gähnt und bleibt dort und verdient sich sein Brot. Tut er das nicht, so taugt er nichts in der gesellschaftlichen Ordnung. Also die Erziehung ist nur die Beschneidung der natürlichen Talente, um an ihre Stelle die sozialen Pflichten zu setzen. Die Erziehung soll Talente verstümmeln und beschneiden. Wenn sie das nicht tut, so haben Sie den Dichter, den Improvisator, den Haudegen, den Maler, den Spaßmacher, das Original, die Vergnügen schaffen und vor Hunger sterben, weil sie sich in keine von den Nischen der sozialen Rangordnung mehr einstellen können. Die Engländer sind die unerzogenste Nation der Welt und darum die größte, die lästigste, und bald auch die unglücklichste von allen. - (gale)

Erziehung (5)  Wie nennt Clemens Alexandrinus die Kinder?  Er nennt sie Flores Matrimonii, Blumen des Ehstands. Gut, gut, die Blumen müssen umbzeunt seyn mit Ruthen und Stecken, sonst kombt ein jede Sau darüber. Wie nennt der H. Vatter Augustinus die Kinder? Er nennt sie naviculas fluctuantes, kleine wanckende Schifflein. Gut, gut, zu diesen Schifflein muß man Rueder brauchen, die der Besenbinder feil hat. Wie nennt der H Gregorius Nazianz. die Kinder?  Oculos suorum parentum, Aug=Äpffel ihrer Eltern. Gut, gut, aber denen Aug=Äpffel hat die Natur Aug=Brauen gesetzt, welche wie die Ruthen gestalt seyn.  Wann man aber die Ruthen spart, so kommt Schand und Schad über die Kinder. Nero wäre kein solcher Böswicht worden, wann ihn sein Mutter  Agrippina hätte schärpffer gehalten. Jener Sohn hätte bey dem Galgen der Mutter das Ohr nicht abgebissen, wann sie ihn hätte besser gezüchtiget in seiner Jugend. Derselbe Bub wäre wol nit schlimm worden, welchen der Beichtvatter befraget, ob er das Vatter unser könne, der antwort mit nein, worauf der Pater widersetzt: Ey das ist nichts nutz. Eben darumben, saagt der schlimme Schelm, hab ich es nicht gelehrnet. - Abraham a Santa Clara, Judas der Ertz=Schelm. Darmstadt 1968 (zuerst 1686)

Erziehung (6) Über die Erziehung äußerte Z. sich wegwerfend. Als Notwehr gegen die Kinder möge sie ihre Berechtigung haben, aber ihr Nachteil bestehe darin, daß die Erwachsenen sich für klüger hielten als ihre Kinder. Das sei ein schwerer Irrtum, dem sich aber fast alle Eltern, Schullehrer und Professoren hingäben. Er tröste sich darüber mit einem Satz des Wissenschaftshistoriker Otto Neugebauer, der gesagt haben soll, c gebe kein der Menschheit bekanntes pädagogisches System, das fähig wäre, die Lebensgeister aller Kinder zu ruinieren.   - Hans Magnus Enzensberger, Herrn Zetts Betrachtungen oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern. Berlin 2014

Kind Bildung
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