rträumen   Er wollte einen Menschen erträumen; er wollte ihn bis in die kleinste Einzelheit erträumen und ihn der Wirklichkeit aufzwingen. Dieses magische Vorhaben hatte allen Raum in seiner Seele erschöpft; wenn jemand ihn nach seinem Namen oder irgendeinem Umstand seines früheren Lebens gefragt hätte, wäre er die Antwort schuldig geblieben. Der unbehauste, zertrümmerte Tempel sagte ihm zu, weil er ein Minimum an sichtbarer Welt bedeutete; ebenso die Nachbarschaft der Holzfäller, weil diese für seine kargen Bedürfnisse aufkamen. Der Reis und die Früchte ihres Tributs waren ausreichende Nahrung für seinen Leib, der einzig der Aufgabe des Schlafens und Träumens geweiht war.

Zu Beginn waren die Träume chaotisch; bald darauf wurden sie dialektischer Art. Der Fremdling träumte sich in den Mittelpunkt eines kreisförmigen Amphitheaters, das irgendwie der eingeäscherte Tempel war; ein Gewölk schweigsamer Jünger hielt die Stufen besetzt; die Gesichter der obersten schwebten in jahrhunderteferner, sternweiter Höhe, waren aber vollkommen deutlich. Der Mann hielt ihnen Vorlesungen in Anatomie, Kosmographie, Magie: Die Gesichter lauschten gespannt und bemühten sich, verständig zu antworten, als ahnten sie die Bedeutung dieser Prüfung, die einen unter ihnen von seiner leeren Scheinhaftigkeit erlösen und in die wirkliche Welt einschalten sollte. Der Mann bedachte im Traum und im Wachen die Antworten seiner Phantasmen, ließ sich von den Scharlatanen nicht verblüffen, erriet in gewissen Verwirrungen einen heranreifenden Verstand. Er suchte eine Seele, die würdig wäre, am Universum teilzuhaben.   - J. L. Borges, Die kreisförmigen Ruinen, nach (bo3)

 

Träumen Wünsche

 

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