rsticken  Gott schütze und errette uns! denn nie gab es ein schwereres Leben als jenes, welches Ambrose uns in den folgenden vierzehn Tagen bereitete. Man kann den Geruch in unserem Haus unmöglich beschreiben. Das Schwein war zweifellos krank, und es erhob sich ein Dampf von ihm, der an einen Leichnam erinnerte, den man einen Monat hindurch zu bestatten versäumt hatte. Als Ergebnis dieses Schweins war das Haus von oben bis unten verrottet und faulig. Während dieser Zeitspanne war meine Mutter im Ende des Hauses unfähig zu stehen oder zu sprechen. Gegen Ende dieser vierzehn Tage bot sie uns still und schwächlich Adieu und Lebewohl und bereitete sich, die Ewigkeit zu schauen. Der Alte-Knabe war ebenfalls im Bett und rauchte energisch seine Pfeife in die Nacht hinaus, um einen Schild gegen den Gestank zu schmieden. Er sprang auf und zerrte meine Mutter zur Landstraße hinaus, wodurch er ihr für diese Nacht das Leben rettete, obwohl beide bis auf die Haut durchnäßt wurden. Am nächsten Tag wurden die Betten auf die Straße gestellt, und der Alte-Knabe sagte, so werde es fortan bleiben, denn, sagte er, es ist besser ohne Haus zu sein als ohne Leben, und selbst wenn wir nachts im Regen ertrinken, so ist dieser Tod doch besser als jener dort drinnen.

An jenem Tage kam Martin O'Bannassa auf der Landstraße vorbei, und als er die wenig wohlriechenden Betten draußen unter freiem Himmel und unser verwaistes Haus sah, blieb er stehen und begann ein Gespräch mit dem Alten-Knaben.

- Es ist nur zu wahr, daß ich das Leben nicht hinreichend verstehe, sowie auch nicht den Grund dafür, daß die Betten draußen stehen, aber seht einmal, wie euer Haus in Flammen steht!

Der Alte-Knabe starrte das Haus an und schüttelte den Kopf.

- Das ist kein Feuer, sagte er, sondern ein vergammeltes Schwein in unserem Haus. Das ist kein Rauch, der dort von unserem Haus aufsteigt, wie du glaubst, Martin, sondern es sind Schwaden von Schweinedampf.

- Dieser Dampf ist mir gar nicht angenehm, sagte Martin.

- Es ist keine Gesundheit darin, erwiderte der Alte-Knabe scharf. Martin bedachte die Frage eingehend.

- Es muß daran liegen, sagte er, daß dieses euer Schwein ein Haustier ist, und daran, daß du ihm deshalb nicht die Kehle durchschneiden und es vergraben möchtest?

- Damit hast du wahrlich recht, Martin, sagte er.

- Wenn es also daran liegt, sagte Martin, werde ich euch helfen!

Er stieg auf das Dach des Hauses und stopfte Grassoden in die Öffnung des Kamins. Dann schloß er die Tür und verstopfte die Fenster mit Schlamm und Lumpen, um die Luft daran zu hindern, in das Haus einzudringen oder aus ihm zu entweichen.

- Jetzt, sagte er, müssen wir uns eine Stunde lang ruhig verhalten.

- Bei meiner Seele, sagte der Alte-Graue-Knabe, ich verstehe dein Tun nicht, aber es ist eine Welt voller Wunder heutzutage, und wenn dich das, was du eben getan hast, zufriedenstellt, so will ich nichts weiter gegen dich vorbringen.

Als die Stunde vorüber war, öffnete Martin O'Bannassa die Tür, und wir traten alle ein - außer meiner Mutter, die immer noch matt und schwächlich auf ihren feuchten Binsen lag. Ambrose lag - kalt und tot - auf den Steinen vor der Feuerstelle ausgebreitet. Er war an seinem eigenen Gestank gestorben, und eine schwarze Rauchwolke benahm uns fast den Atem. Der Alte-Knabe war sehr traurig, aber er drückte Martin seinen zutiefst von Herzen kommenden Dank aus und hielt zum erstenmal seit drei Monaten mit dem Paffen seiner Pfeife inne. Ambrose wurde schicklich und in allen Ehren bestattet, und wir alle waren in diesem Haus bald wieder wohlauf. Meine Mutter erholte sich schnell von ihrer angegriffenen Gesundheit und war wieder so energisch wie zuvor, wenn sie große Töpfe voller Kartoffeln für die anderen Schweine kochte.

Ambrose war ein merkwürdiges Schwein, und ich glaube nicht, daß es seinesgleichen je wieder geben wird. Ich wünsche ihm alles Glück, falls er heute in einer anderen Welt am Leben ist!   - Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)

Ersticken (2)  Es ist Herbst, die wunderbaren Fischzüge, die Körbe übervoll von Aalen, die so bald nicht sterben, weil ihre engen Kiemen noch einen Rest Wasser, einen Rest Leben bewahren, und sie halten aus, Stunden um Stunden winden sie sich in den Körben, alle anderen Fische sind tot, nur sie führen weiterhin einen wilden Kampf gegen das Ersticken, man muß sie zerstückeln, in siedendes Öl werfen, und die alten Frauen in den Häfen schütteln den Kopf, betrachten sie sich und memorieren eine dunkle Weisheit, die alten Bestiarien, wo listige Aale das Wasser verlassen und in die Baum- und Kräutergärten einfallen (das sind die Worte, die in den Bestiarien gebraucht werden), um Jagd auf Schnecken und Würmer zu machen, um die Erbsen im Gemüsegarten aufzufressen.  - Julio Cortázar, Das Observatorium. Frankfurt am Main 1989 (Fotos unter Mitarbeit von Antonio Gálvez; zuerst 1972))

Ersticken (3)  

Atmen Todesart

 

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