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Während sie sich bemühte, den Bindfaden aufzuknoten, drehte sie sich
zum Fenster um, dem Licht zu - sie hatte trotz der Hitze alle Fenster in der
Wohnung geschlossen -; sie kümmerte sich einige Sekunden lang überhaupt nicht
um ihn und wandte ihm den Rücken zu. Er knöpfte sich den Mantel auf und befreite
das Beil aus der Schlinge, zog es jedoch nicht ganz heraus, sondern hielt es
nur mit der Rechten unter dem Mantel fest. Seine Hände waren ganz schwach; er
spürte, wie sie mit jedem Augenblick tauber und gefühlloser wurden. Er fürchtete,
er würde das Beil nicht halten können und es fallen lassen
. . . Plötzlich schwindelte ihm.
»Na, wie er das bloß zugeschnürt hat!« rief die Alte ärgerlich und machte eine Bewegung, als wollte sie sich ihm wieder zuwenden.
Er durfte keinen Augenblick mehr verlieren. Er zog das Beil ganz heraus, schwang es mit beiden Händen, kaum noch bei Bewußtsein, und ließ es, fast ohne Anstrengung, fast mechanisch, mit dem Rücken auf den Kopf der Alten niederfallen. Er hatte das gleichsam ohne jeden Kraftaufwand getan. Doch sobald er einmal zugeschlagen hatte, kehrte ihm auch seine Kraft zurück.
Die Alte hatte, wie immer, nichts auf dem Kopf. Ihr helles, angegrautes,
schütteres Haar, wie gewöhnlich stark mit Fett eingeschmiert, war zu einem Zöpfchen
geflochten, das aussah wie ein Rattenschwanz; der Zopf war mit einem zerbrochenen
Hornkamm festgesteckt, der häßlich von ihrem Hinterkopf abstand. Der Hieb hatte,
da sie so klein war, genau ihren Scheitel getroffen. Sie schrie auf, aber sehr
leise, und sackte dann plötzlich auf dem Boden zusammen, obgleich sie noch beide
Hände zum Kopf heben konnte. In der einen Hand hielt sie noch immer das »Pfand«.
Jetzt schlug er mit voller Wucht noch einmal zu und noch einmal, immer mit dem
Beilrücken, immer auf den Scheitel. Das Blut strömte aus ihrem Kopf wie aus
einem umgeworfenen Glas, und ihr Körper wälzte sich auf den Rücken. Raskolnikow
trat zurück, ließ sie auf dem Boden liegen und beugte sich sogleich über ihr
Gesicht: sie war schon tot. Die Augen standen weit offen, als wollten sie aus
den Höhlen springen, und die Stirn und das ganze Gesicht waren krampfartig zusammengezogen
und verzerrt.
- Fjodor M. Dostojewskij, Schuld und Sühne. München 1987
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