Eroberer  Hier zog nicht der grausame Alfinger, der sehnige Mann, den die Welser aus Augsburg ausgesucht hatten, damit er ihnen die fünf Tonnen Gold wieder heimbrächte, die sie dem Kaiser Karl für seine Kriege geliefert hatten - er entledigte sich mit Männern, Pferden und Hunden seiner Aufgabe, so gut er konnte, plünderte, mordete, sengte und pfählte, das Gold schickte er nach Hause oder behielt es bei sich, die Sklaven kamen auf den Markt, das Geschäft war glatt, ihn zerschmetterte ein Felsblock bei dem Ort Miser Ambrosio. Darauf hatte die Erde sein Fleisch, Haut und Knochen und wucherte weiter mit ihnen.

Es kam von St. Marta der lange gelehrte Ximenes von Quesada mit tausend Fußsoldaten, hundert Pferden und zahllosen Hunden und war vom selben Schlage, schickte fünf Schiffe den Magdalenenstrom herauf, Alcobazo den Kapitän, sie fanden kein Gold und keine Sklaven, die Wasser, der Hunger und die Krankheit nahmen sich ihrer an, und was von ihnen nicht im Wasser ertrank und vor die Fischmäuler geriet, fiel den Geiern zu, die über den Bäumen fliegen. Quesada selbst fand, was er wollte; das Reich der Muiscas, Cundinamarca, war eine einzige Gold- und Menschengrube, das Gold schleppte er auf Schiffe, die Sklaven trieb er in Bergwerke, er heimste den Titel eines Marquis ein, dann beschäftigte sich die Lepra mit ihm und zerpflückte ihn gliedweise. Es blieb nichts von ihm als ein zerbrochenes

Reich, tote und herumirrende Menschen. Goldmassen, die neue Kriege speisten, worin neue Menschen starben, neue herumirrten, und er selbst, ein Misthaufen, ein Kreuz darüber.

Und nicht anders als seine beiden Kumpane, die sich auf der Hochfläche bei der Stadt Funza trafen und erstaunt waren, sich hier oben zu finden.

Der eine, Nicolaus Federmann mit dem wilden Hut und Purpurschärpe, er, der den General Speyer begleiten sollte und sich selbständig machte, ein Mann, warm, wie ein Kalb, mit Augen, aus dem Blau des Himmels geholt, lustig wie ein Füllen. Wie er tapfer mit seinen Männern, seinen strammen Pferden und Hunden durch die Steppen von Venezuela zog, und die bunten Pardeltiere liefen durch das riesige Gras, war ihm wohl und den Gräsern wohl und den Pardeltieren wohl, sie kannten sich und hielten zueinander, und wenn sie auch aufeinander schössen und sich anfielen, sie taten sich nicht weh. Auch er ist nach Funza gekommen, hat Quesada gesehen, Riesensummen Gold erworben, man hat von ihm verlangt, er solle nach Hause kommen und sich verantworten, er ist gefolgt, hat ein Schiff bestiegen, und nach einer lustigen Fahrt ist er im Meer ertrunken, eine dunkle Geliebte am Hals, seine blauen Augen warf das Meer dem Himmel zurück, mit dem Magen beschäftigte es sich auf seine Art, es blies darauf Trompete.

Der prächtige Belalcazar, der dritte auf der Hohe von Funza, wie hatte er im Lande gehaust und gewirtschaftet, Kinder gezeugt mit braunen, roten, kupferfarbenen Frauen, damit von seiner Art noch viele lebten nach seinem Tod, den er für bald voraussah. Und damit die Kinder auch gut gediehen und aus der Erde was für sie wüchse, das Kraft gibt, pflanzte er vom Magdalenental in das Gebirge hinauf und in die Hochtäler kopfüber, kopfunter, der Länge und Breite nach menschliche Leichen an — mit welchen schweren Wolken von Schmerz erfüllte er die Täler, das Pfeifen der Vögel, das Krächzen der Papageien, das Brüllen der Affenherden wurde monatelang übertönt von dem Wehklagen und Wimmern der Erwachsenen und Kinder, die er vom Leben losriß und in den Boden trieb.

Ach, dieser Boden, wie er an ihnen kaute, wie ihm die Brust schwoll: die Menschen wußten schon nichts anderes, als sich an ihn zu wenden. In seiner Zelle in Cartagena saß Belalcazar, es war um ihn selber drückend, er trug keinen Fcdcrmantel mehr. Nachdem er das eine getan hatte, was den Menschen zukommt, sich freuen, tat er das andere, trauern, er trauerte nicht lange, in der Zelle liefen Spinnen, die Zelle wurde die Spinne, die sein Blut trank, da war er hin und sank sein Leib, Haut und Knochen und Muskeln, zusammen, schluckte, zeugte, tötete nicht mehr, wollte keinem andern mehr den Platz wegnehmen, er hatte genug für dreißig Jahre getan. Und die Erde nahm sich seiner an, lachte und freute sich mit ihm, er klagte, er wäre doch noch jung, hätte noch viel vorgehabt, sie klopfte ihm auf den Mund: «Was, vorgehabt!» Und strich ihn glatt wie einen Kuchenteig.   - Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.2, Der blaue Tiger. München 1991

Eroberer (2)  Quadrupedante putrem sonitu quatit ungula campum. Virgils exemplarischer Hexameter, der das dumpfe Getrappel von Pferdehufen in einer Ebene beschreibt, hat seine persische Entsprechung in der Äußerung eines Überlebenden der Plünderung Bucharas durch die Mongolen: Am-dand u khandand u sokhtand u kushtand u burdand u raftand. »Sie kamen und sie plünderten und sie sengten und brannten und sie töteten und sie bündelten ihre Beute und waren gegangen.«

In seiner Geschichte der Welteroberer sagt Juvaini, daß sein ganzes Werk und all die Greuel Jener Zeiten in diesem einzigen Satz enthalten seien.  - Aus Henry Yule: Marco Polo, I, 233, nach (chatw)

 

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