rlebnis, schönes    In den Ferien von 1837 waren sie bei der Türkin gewesen. So nannte man eine Frau, die mit ihrem wirklichen Namen Zoraide Turc hieß; und viele glaubten, sie sei eine Mohammedanerin, eine Türkin. Das mehrte den poetischen Reiz ihres Etablissements, das am Ufer lag, hinter den Festungswerken. Auch mitten im Sommer umschwebte Schatten ihr Haus, das an einem Goldfischglas neben einem Resedatopf auf einem Fenstersims zu erkennen war. Fräuleins in weißem Morgenrock, Schminke auf den Backen, mit langen Ohrgehängen, klopften, wenn jemand vorüberkam, an die Scheiben. Des Abends sangen sie auf der Schwelle, leise, mit rauhen Stimmen, Lieder vor sich hin.

Diese Stätte der Sünde strahlte weithin einen phantastischen Glanz aus. Man sprach von ihr in Umschreibungen: «das Haus, Sie verstehen schon — in der gewissen Straße — unterhalb der Brücken.» Die wohlhabenden Bäuerinnen in der Gegend zitterten davor, ihrer Männer wegen, die bürgerlichen Damen waren um ihrer Dienstboten willen besorgt, weil die Köchin des Herrn Unterpräfekten bei der Türkin abgefaßt worden war; und alle jungen Leute träumten im geheimen von dem Haus.

Eines Sonntags um die Vesperzeit pflückten Frédéric und Deslauriers, nachdem sie vormittags sich das Haar hatten brennen lassen, Blumen im Garten von Frau Moreau und gingen durch die Hintertür den Feldern zu. Nach einem großen Umweg durch die Weinberge kamen sie an dem Fischteich vorbei zurück und schlichen sich bei der Türkin ein, in der Hand ihre großen Sträuße.

Frédéric hielt sein Bukett vor sich wie ein Liebhaber, der seine Braut besucht. Aber die schwüle Luft, die Angst vor dem Unbekannten, eine Art von Reue und auch das Vergnügen, mit einem einzigen Blick so viele Weiber zu sehen, die auf seine Wünsche warteten, erregten ihn so, daß er ganz bleich wurde und an seinem Platz blieb, ohne einen Schritt vorwärts zu tun und stumm. Alle Mädchen lachten, belustigt von seiner Verlegenheit. Es schien ihm, als werde er verspottet, und so flüchtete er. Und da Frédéric das Geld hatte, war Deslauriers gezwungen, ihm zu folgen.

Sie wurden beobachtet, als sie herauskamen. Nach drei Jahren war die Geschichte noch nicht vergessen.

Schwatzhaft erzählten sie jetzt davon, und jeder ergänzte das, was der andere wußte. Und als sie zu Ende waren, sagte Frédéric: «Das war eigentlich unser schönstes Erlebnis.»

«Ja, vielleicht war es das schönste», sagte Deslauriers. - Gustave Flaubert, Lehrjahre des Gefühls. Reinbek bei Hamburg 1959 (zuerst 1869)

 

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