rinnerungslosigkeit
So wie einst die Flammen aus den jungen Herzen schlugen, so
schlugen sie nun leibhaftig aus den Obergeschossen und Dachkammern, fraßen sich
in die aufgehängten Laken wie Erdbeermarmelade in das gebutterte Brot. Wir klatschten
und schrien, wenn es so weit war, und meine Schwester nahm mich bei der Hand
und zog mich quer über den Hof, panierte mich mit Sand im Kasten, gab mir Schaufel,
Eimer, Stock und Rad, mir, dem komatösen Kind, das schneller laufen konnte,
schneller sprechen, schneller Aufgaben lösen, weil eben die Erinnerung ihm fehlte,
denn allein die Erinnerung macht uns das Leben unerträglich schwer. Erinnerungslos
wissen wir alles, ausnahmslos, können wir alles, selbst einen Stuhl auf dem
Kinn balancieren und dann mit einem Schwung hoch auf die Nase und mit den Zähnen
am Wäscheseil einmal über den Hof rutschen und unter die Röcke schauen beim
Schaukeln und in die Waschküche kriechen wie ein winziges Silberfischchen, mit
angelegten Armen und Beinen, von Treppe zu Treppe, und unten dann, an den Trögen
vorbei, hinein in einen umgefallenen Gummistiefel und ausruhen.
- (raf)
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