rhängen
Als Peyton Farquhar durch die Brücke hinunterstürzte, verlor er das Bewußtsein
und war eigentlich schon so gut wie tot. Aus diesem Zustand wurde er - Ewigkeiten
später, wie ihm schien - erweckt durch die Qual eines starken Druckes um seine
Kehle, dem das Gefühl des Erstickens folgte. Heftige, scharfe Krämpfe schienen
von seinem Hals abwärts durch jede Faser seines Körpers und seiner Glieder zu
schießen. Diese Schmerzen zuckten fast wie auf festgelegten Bahnen und Verzweigungen
entlang und schienen in ununterscheidbar schneller Regelmäßigkeit einander zu
folgen. Sie waren wie Ströme pulsierenden Feuers, das ihn auf eine unerträgliche
Temperatur erhitzte. In seinem Kopf dagegen empfand er
nichts weiter als das Gefühl von Völle und Blutandrang. All diese Empfindungen
wurden nicht von Gedanken begleitet. Der intellektuelle
Teil seiner Natur war bereits ausgelöscht; er hatte nur noch Kraft zu fühlen,
und Fühlen bedeutete Qual. Er wurde sich einer Bewegung
bewußt. Eingehüllt in eine leuchtende Wolke, von der er jetzt nur das feurige
Herz war, ohne materielle Substanz, so schwang er durch unvorstellbare
Schwingungsbögen wie ein ungeheures Pendel. Dann schoß das Licht über ihm mit
schrecklicher Plötzlichkeit und mit dem Geräusch eines lauten Klatschens nach
oben davon. Ein fürchterliches Brüllen dröhnte in seinen Ohren, und alles war
kalt und dunkel. Die Macht des Denkens
kam wieder; er wußte, daß das Seil gerissen und er in den Fluß gestürzt war.
Er spürte keine zusätzliche Atemnot; die Schlinge um
seinen Hals würgte ihn bereits und hielt das Wasser seinen Lungen fern. Am Grund
eines Flusses den Tod durch Erhängen zu sterben! - diese Vorstellung erschien
ihm lächerlich. Er öffnete die Augen in der Finsternis
und sah über sich einen Lichtschein, aber wie fern, wie unerreichbar! Er sank
noch immer, denn das Licht wurde schwächer und schwächer, bis es nur noch ein
Schimmer war. Aber dann begann es zu wachsen, wurde heller, und er erkannte,
daß er zur Oberfläche emporstieg. Er erkannte es widerwillig, denn er fühlte
sich jetzt sehr wohl. «Gehängt und ertränkt werden», dachte er, «ist nicht so
schlimm; aber ich möchte nicht erschossen werden. Nein, ich will nicht erschossen
werden, das wäre ungerecht!»
- Ambrose Bierce, Eine Begebenheit an der
Owl-Creek-Brücke. In: Der Gnadenstoß. Geschichten des Grauens. Reinbek bei Hamburg
1965 (RK 184, zuerst ca. 1890)
Erhängen (2) Weder das schlimme
noch das gute Leben im Jenseits hat ein Ende, da die Seele
kein Ende hat. Es heißt auch, und daran wird felsenfest geglaubt, daß diejenigen,
die sich erhängten, zur Herrlichkeit eingingen, und daher gab es viele, die
sich bei geringfügigen Anlässen wegen Traurigkeit,
Arbeitsüberdruß oder Krankheit erhängten, um diesen Leiden zu entgehen und im
Freudenreiche auszuruhen, wohin sie, wie man sagt, durch die Göttin des Galgens,
Ixtah, gebracht wurden. Von einer Auferstehung der
Leiber meldet kein Bericht. - (
azt
)
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