rfolg   Es ist ein eingewurzeltes Vorurteil, daß es der Wille sei, der zum Erfolge der Schlüssel ist. Ja, läge der Erfolg nur in der Linie des Einzeldaseins, wäre er nicht auch der Ausdruck dafür, wie dieses Dasein in das Weltgefüge eingreift. Ein Ausdruck freilich, voller Vorbehalte. Doch sind denn Vorbehalte etwa weniger gegenüber dem Einzeldasein und dem Weltgefüge selbst am Platz? Daher ist der Erfolg, den man so gerne als blindes Spiel des Zufalls beiseite schiebt, der tiefste Ausdruck für die Kontingenzen dieser Welt. Der Erfolg ist die Marotte des Weltgeschehens. Somit hat er am wenigsten zu schaffen mit dem Willen, der ihm nachjagt. Überhaupt sind es nicht die Gründe, die ihn herbeiführen, an denen seine wahre Natur sich dartut, sondern die Figuren der Menschen, die er bestimmt. Es sind seine Lieblinge, an denen er sich zu erkennen gibt. Seine Schoßkinder- und seine Stiefkinder. Der Marotte des Weltgeschehens entspricht die Idiosynkrasie im Einzeldasein. Davon sich Rechenschaft zu geben, war von jeher das Vorrecht des Komischen, dessen Gerechtigkeit kein Werk des Himmels, sondern das unzähliger Versehen ist, die endlich, infolge eines letzten kleinen Fehlers, doch das genaue Resultat ergeben. Wo aber sitzt die Idiosynkrasie des Subjekts? In der Überzeugung. Der Nüchterne, der keine Idiosynkrasien hat, lebt, ohne Überzeugungen zu kennen; Leben und Denken haben sie ihm längst zu Weisheit, wie Mühlsteine das Köm zu Mehl, zerrieben. Die komische Figur jedoch ist niemals weise. Sie ist ein Schelm, ein Tropf, ein Narr, ein armer Schlucker, aber was sie auch sei:

diese Welt paßt ihr wie angegossen. Ihr ist Erfolg kein Stern und Mißerfolg kein Unstern. Sie fragt nach Schicksal, Mythos und Verhängnis überhaupt nicht. Ihr Schlüssel ist eine mathematische Figur, die um die Achsen des Erfolges und der Überzeugung konstruiert ist. Die Windrose des Erfolges:

Erfolg bei Preisgabe jedweder Überzeugung. Normalfall des Erfolges: Chlestakoff oder der Hochstapler. — Der Hochstapler läßt sich von der Situation wie ein Medium leiten. Mundus vult decipi. Er wählt sogar seine Namen der Welt zu Gefallen.

Erfolg bei Annahme jedweder Überzeugung. Geniefall des Erfolges. Schweyk oder der Glückspilz. - Der Glückspilz ist eine ehrliche Haut, die es allen recht machen will. Hans im Glück tauscht mit jedem, der Lust dazu hat.

Erfolglosigkeit bei Annahme jedweder Überzeugung. Normalfall der Erfolglosigkeit: Bouvard und Pécuchet oder der Spießer. — Der Spießer ist der Märtyrer jedweder Überzeugung von Laotse bis Rudolf Steiner. Für jede aber »nur ein viertel Stündchen«.

Erfolglosigkeit bei Preisgabe jedweder Überzeugung. Geniefall der Erfolglosigkeit: Chaplin oder der Schlemihl. - Der Schlemihl nimmt an nichts Anstoß; er stolpert nur über seine eigenen Füße. Er ist der einzige Friedensengel, der auf die Erde paßt.

Dies die Windrose zur Bestimmung aller guten und widrigen Winde, die mit dem menschlichen Dasein ihr Spiel treiben. Nichts bleibt als ihre Mitte zu bestimmen, den Schnittpunkt der Achsen, den Ort völliger Indifferenz von Erfolg und von Mißerfolg. In dieser Mitte ist der Don Quichotte zu Hause, der Mann einer einzigen Überzeugung, dessen Geschichte lehrt, daß in dieser besten oder schlechtesten aller denkbaren Welten, — nur ist sie eben nicht denkbar — die Überzeugung, es sei wahr, was in den Ritterbüchern steht, einen geprügelten Narren selig macht, wenn sie nur seine einzige ist.  - (ben3)

Erfolg (2) Die beiden Dichter-Historiker befinden sich im Gefolge des Hofs und sind unvorstellbar verblüfft, zu Fuß, zu Pferd, im Morast bis über die Ohren, und schlafen poetisch im Schein der schönen Geliebten Endymions. Sie müßten die Augen sehr aufmerksam offen halten, wenn sie genau alle Taten des Herrschers darstellen wollten. Sie machen ihm den Hof durch ihr Staunen über die zahlreichen Legionen und über die Strapazen, die nur allzu wahr sind, und kommen mir vor wie die beiden Jean Doucet. Letzthin sagten sie zum König, sie wunderten sich nicht mehr über den außerordentlichen Mut der Soldaten, verstünden vielmehr daß sie gerne tot wären, um einem so fürchterlichen Leben ein Ende zu setzen. Man hat gelacht, und das ist ein Erfolg beim Hof .. .  Ich erzähle Ihnen dummes Zeug, lieber Vetter, wurde von Racine und Despreaux dazu verleitet; meine Feder hat es ohne meine Einwilligung hingeschrieben.  - (sev)

Erfolg (3)  Der Mythos vom Weltbrand hat in der ganzen griechisch-orientalischen Welt einen beträchtlichen Erfolg errungen. Es wird immer wahrscheinlicher, daß der Mythos von der Vernichtung der Welt durch Feuer, aus der die Guten ungeschädigt hervorgehen, iranischer Herkunft ist, zumindest in der den »okzidentalen Magiern« bekannten Form, die ihn im Westen verbreitet haben. Die Stoa, die Sibyllinischen Orakel und die jüdisch-christliche Literatur machen diesen Mythos geradezu zur Grundlage ihrer Apokalypse und ihrer Eschatologie. So sonderbar es auch erscheinen mag, dieser Mythos war tröstlich. Denn das Feuer erneuert doch die Welt, durch seine Kraft erhebt sich wieder eine neue Welt, ohne Alter, Tod, Zerfall und Verwesung, ewig lebend, ewig wachsend, zu einer Zeit, wenn die Toten sich erheben werden, die Unsterblichkeit zu den Lebenden kommen und die Welt sich wunschgemäß erneuern wird. Es handelt sich folglich um eine apokatastasis, von der die Guten nichts zu befürchten haben.  - Mircea Eliade, Kosmos und Geschichte. Frankfurt am Main 1986 (st 1273, zuerst 1949)

Erfolg (5) Auf der Suche nach dem Labsal aufgespürter Wahrheiten oder nach Befriedigung eines unbeherrschbaren Verlangens nach dem Rausch verließ sich dieser Starrkopf auf seine Feder wie ein Rutengänger auf seine Wünschelrute, und endlich konnte er sich einen literarischen Erfolg zugute halten. Aber dieser Erfolg - der im übrigen begrenzt war und ihm noch lange nicht jenen Ruhm verhieß, der seinen Nutznießern über Mittelspersonen einen gewissen Anschein von Weiterleben zusichert - war vielleicht niederdrückender als eine Niederlage. Was folgt aus einem mißlungenen Versuch anderes, als daß man die Scharte auswetzen und sich also dazu aufraffen muß, aufs neue sein Glück zu versuchen? Wohingegen diese Art des Erfolges - oder was einigen anderen als solcher erschien - ihn mit diesem nicht wiedergutzumachenden Ergebnis konfrontierte: die Feststellung, daß er anscheinend als Sieger aus dem Spiel hervorgegangen war, hatte ihm alles in allem nur sehr wenig eingetragen, gemessen an dem, was ursprünglich sein Antrieb gewesen war. Von da an führte nur mehr ein Schritt bis zu der Haltung, Sieg oder Niederlage sei ein und dasselbe, und als er diesen Schritt erst einmal vollzogen hatte, brauchte er lange, um sich dieses Knebels zu entledigen, nämlich der Überzeugung, nichts verlohne es, sich zu plagen. - (leiris2)


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Mißerfolg

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