ntwicklung, emotionale »Ich bin zur Schule gegangen, aber was wir da gelernt haben, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, daß meine Mama- mich in ein Kleid gesteckt hat. Ich mußte in dem Kleid zur Schule gehen, und sie hat gesagt, das war, damit ich lerne, mich zu benehmen wie ein Junge und nicht immer zu schreien und zu brüllen, wenn man mich haut. Sie hat mich manchmal schrecklich verhauen. Wir hatten einen Lehrer in der Schule, der hat mir einmal ein Paar Schuhe geschenkt, denn Schuhe hatte ich keine, und da hat sie mich auch verprügelt, weil ich die angenommen hob. Und dann hat sie mich verprügelt, wenn ich ihr und den Männern nicht zugucken wollte. Sie hat's gern gehabt, wenn ich sie mit ihren Freiern gesehen hab. Ich mußte ihr mit den Freiern zusehen, bis ich vierzehn war, dann bin ich von zu Hause fort.
Mein ganzes Leben hah ich immer nur
gehaßt. Jeden. Sie haben mich gefragt., ob ich mal wen gern gehabt hätte, ich
glaube nicht. Wir hatten ein Maultier, und das bah ich gern gehabt, glaub ich.
Wir waren wie Freunde, und ich hob mit ihm geredet. Im Sommer hatte es Wunden
an den Beinen, und ich hab zu ihm gesagt, ich weiß, die tun dir weh, Junge,
ich weiß. Ich wußte das, weil ich auch die Wunden hatte wie das Maultier. Wir
hatten beide immer Hunger, und ich hab uns was zu essen besorgt, was für mich
und was für es. Das Maultier hat meistens alles gefressen, und danach hat es
mir lange die Hand abgeleckt, das hat mir gefallen. Manchmal hab ich neben ihm
geschlafen, vor allem, wenn man mich schlimm verprügelt hatte. Das Tier war
weich und still, und sein Atem war irgendwie warm, und das war schön für mich.
Aber dann hat meine Mama mich dabei erwischt, und sie hat gesagt, hast das Maultier
wohl gern, was? Hast du's gern ? Und ich hab gesagt, ja, ich glaub schon, und
meine Mama kam auf der Stelle mit einem Gewehr wieder und hat es gleich hinter
dem Haus abgeknallt. Und dann hat sie mich windelweich geprügelt, weil sie für
den Lieferwagen bezahlen mußte, der kam und das Maultier abgeholt hat. Sie haben
ihm die vier Beine zusammengebunden und es fortgeschleift, sein Kopf war zurückgebogen
und schleifte hinterher, so als würd es mich noch sehen, und ich war daran schuld,
daß es tot war. Danach hab ich nie mehr was gern gehabt. Ich bin durch und durch
schlecht, so wie sie's gesagt hat. Windelweich hat sie mich geprügelt, als sie
das Maultier erschossen hat, aber da hab ich das Auge nicht verloren, das war
ein anderes Mal, und davon weiß ich nicht mehr viel, weil ich tagelang nicht
wieder aufgewacht bin. Einer meiner >Qnkel< hat mich ins Krankenhaus gebracht,
und dort haben sie mir das Auge rausgenommen. Er hat gesagt, ich war die Treppe
runtergefallen, und ich hab nichts dazu gesagt. Jedenfalls damals nicht. Er
war nicht richtig mein Onkel, er war einer von ihren Freiern, aber ab und zu
hat er mit mir geredet, und er war auch der erste, der mir was über Sex und
so beigebracht hat. Er hat es mit Tieren gemacht. Erst hat er sie getötet, und
dann hat er es mit ihnen gemacht und mir gezeigt, wie es geht. Er hat gesagt,
besorg dir doch ein Mädchen, du bist vierzehn. Deshalb bin ich hinter der einen
her, aber sie wollte nicht, daß ich es mit ihr mache. Sie hatte Angst vor meinem
Auge, vor dem Loch. Viele Leute hatten Angst davor, weil da immerzu Zeug rauskam.
Sie hat auch gesagt, daß ich schlecht rieche und daß ich sie nicht anfassen
darf. Ich mußte sie umbringen, um es mit ihr zu machen. Meistens mußte ich sie
vorher umbringen, sonst könnt ich es nicht kriegen. Töten ist das einzige, wo
ich immer gut drin war, und jetzt, wo man mich geschnappt hat, hab ich keine
Angst vorm Sterben. Für jemanden wie mich ist das sowieso das Beste. Das weiß
ich.« - Magdalen Nabb, Das
Ungeheuer von Florenz. Zürich 1997
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