ntwicklung Der Hirnstamm gleichsam das unterste und damit älteste Sediment — ist, grob geschätzt, etwa 1,5 Milliarden Jahre alt. Aus gewissen Gründen fällt dieser Termin mit dem Auftauchen der ersten mehrzeiligen Lebewesen zusammen.
Wie viele heute existierende primitive Organismen beweisen, kann man als Mehrzeller auf dieser Erde auch mit dem Hirnstamm allein im Grunde auskommen. Für die Geborgenheit einer rein biologischen Existenz ist diese Ausstattung absolut ausreichend. Die analoge Feststellung läßt sich bezeichnenderweise für jeden beliebigen anderen Schritt der Evolution ebenfalls treffen. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Entwicklung nicht schon auf einer sehr viel früheren Stufe, etwa nach der Entstehung von Sternen und Milchstraßensystemen, zum Stillstand gekommen ist. Warum sie es mit der Hervorbringung der kosmischen Ordnung des Fixsternhimmels nicht genug sein ließ.
Wir wissen nicht, warum es immer weiterging, warum jede Ebene der Entwicklung immer nur als Stufe für einen nächsten Schritt zu dienen hatte. Wir wissen nur, daß es ausnahmslos so gewesen ist. Und so war auch mit dem Hirnstamm nicht das Ende der Entwicklung gekommen. Über ihm entstand das Zwischenhirn. Auf die Stufe der vegetativen Geborgenheit folgte die der nach außen, auf die Außenwelt gerichteten Programme. Das Alter der Neuerwerbung, dieses zweiten Hirnteils in der »paläontologischen Schichtung« unseres Zentralnervensystems, ist auf höchstens 1 Milliarde Jahre zu veranschlagen. Das alles sind natürlich nur Größenordnungen. Die absoluten Zahlen schwanken in weiten Bereichen, je nachdem, welchen Entwicklungsstand erste Anfänge oder vollständige Ausreifung — man zugrunde legt.
Auch das aber war noch immer nicht alles. Vor etwa 500 Millionen Jahren erfolgte der — bisher — letzte Schritt: Ober dem jetzt voll entwickelten Zwischenhirn entstanden neue, vorerst nur knospenartige Konzentrationen von Nervenzellen. Sie waren die ersten Ansätze der Ausbildung des obersten, jüngsten Hirnteils, den wir heute »Großhirn« nennen, Mit ihm ist eine Stufe erreicht, die wir an dieser Stelle vorläufig mit den Stichworten Bewußtsein, individuelles Lernvermögen und Wahrnehmung einer objektiven Außenwelt charakterisieren können.
Es handelt sich hier übrigens nicht nur um die bisher faktisch letzte, sondern
auch um eine Stufe, die uns als ein »Non plus ultra« erscheint, eine Stufe der
Entwicklung, über die wir nicht um einen Millimeter hinauszudenken vermögen.
Daß diese Unfähigkeit keine Rückschlüsse auf die reale Zukunft der Entwicklung
zuläßt, dürfte nach allem, was bisher gesagt wurde, selbstverständlich sein.
Die Möglichkeit, daß unser Großhirn den Endpunkt der bisherigen Geschichte bilden
könnte, ist von so astronomischer Unwahrscheinlichkeit, daß wir auch die von
uns selbst erreichte Ebene getrost als nur vorläufig, als Übergangsstufe ansehen
können. Immerhin sind wir die ersten Lebewesen auf diesem Planeten, die ihre
eigene Rolle in dieser Weise zu relativieren fähig sind. Was aber auf die Stufe
des Bewußtseins folgen wird, das bleibt dem Bewußtsein für immer verschlossen.
- Hoimar von Ditfurth,
Der Geist fiel nicht vom Himmel. Die Evolution unseres Bewußtseins. München
1980 (dtv 1587, zuerst 1976)
Entwicklung (2) Dreißig Jahre
lang hat sich sein Werk in aller Stille entwickelt. Dann aber, als es aus seiner
Abgeschiedenheit heraustrat, als es die Waldesstille verließ, breitete es sich
aus, wie sich ein Teppich entrollt. Es entfaltete sich zu einer neuen Verdinglichung
der Frau, zu einem völlig ungewöhnlichen Bild der Frau, und aus einer benachbarten
Spelunke ertönt durch ein Kellerfenster die Stimme des Herrn von Bougrelon:
»Vermutlich Unzucht, mein Herren! Vermutlich Unzucht!«
- André Breton, nach: Wieland Schmied, Zweihundert Jahre
phantastische Malerei. München 1980
Entwicklung (persönliche)
- Charles M.
Schulz
,
You're a brave man, Charlie Brown. London 1970 (Hodder Fawcett Coronet
Books, zuerst ca. 1960)
Entwicklung (persönliche, 2)
F. Bourdier, einer seiner neueren Biographen, beschreibt Cuviers
leibliche Ontogenese mit Worten, die zugleich ein gutes Bild von dessen Macht
und Einfluß verschaffen: «Cuvier war von geringer Körpergröße und während der
Revolution sehr dünn. Im Empire wurde er beleibter und nach der Restauration
ungeheuer fett.» - Stephen Jay Gould, Der Daumen des Panda.
Betrachtungen zur Naturgeschichte. Basel u.a. 1987
Entwicklung (4)
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