Entstofflichung  1755 schlug Kant im Alter von 31 Jahren ein neues Schema der Entstehung unseres Sonnensystems und der Ausbreitung von Leben und Geist im Universum vor. Kant glaubte an ein unendliches Universum, in dem es unendlich viele bewohnte Welten gibt, und ging von einem interessanten Bild aus: einem sich ausformenden Universum mit einem Zentrum, in dem die Dichte der Materie sehr hoch ist. Bewegt sich die Materie von dort weg, verdünnt sie sich. Auch das Leben verbreitet sich so vom Zentrum aus und nimmt - je nach Entfernung vom Zentrum - unterschiedliche Formen an, die die jeweilige Materiedichte widerspiegeln: »So wollte ich mit mehrer Wahrscheinlichkeit die vollkommensten Klassen vernünftiger Wesen weiter von diesem Mittelpunkte, als nahe bei demselben, suchen. Die Vollkommenheit mit Vernunft begabter Geschöpfe, in so weit sie von der Beschaffenheit der Materie abhänget, in deren Verbindung sie beschränket sein, kommt gar sehr auf die Feinigkeit des Stoffes an, dessen Einfluss dieselbe zur Vorstellung der Welt und zur Gegenwirkung in dieselbe bestimmt. Die Trägheit und der Widerstand der Materie schränket die Freiheit des geistigen Wesens zum Wirken und die Deutlichkeit ihrer Empfindung von äußern Dingen gar zu sehr ein, sie macht ihre Fähigkeiten stumpf, indem sie deren Bewegungen nicht mit gehöriger Leichtigkeit gehorchet. Daher wenn man, wie es wahrscheinlich ist, nahe zum Mittelpunkte der Natur die dichtesten und schwersten Sorten der Materie, und dagegen in der grösseren Entfernung die zunehmenden Grade der Feinigkeit und Leichtigkeit derselben, der Analogie gemäß, die in unsern Weltbau herrschet, annimmt: so ist die Folge begreiflich. Die vernünftigen Wesen, deren Erzeugungsplatz und Aufenthalt näher zu dem Mittelpunkte der Schöpfung sich befindet, sind in eine steife und unbewegliche Materie versenket, die ihre Kräfte in einer unüberwindlichen Trägheit verschlossen enthält, und auch eben so unfähig ist, die Eindrücke des Universi mit der nötigen Deutlichkeit und Leichtigkeit zu übertragen und mitzuteilen. Man wird diese denkende Wesen also in die niedrige Klasse zu zählen haben; dagegen wird, mit den Entfernungen vom allgemeinen Centro, diese Vollkommenheit der Geisterwelt, welche auf der gewechselten Abhängigkeit derselben von der Materie beruht, wie eine beständige Leiter wachsen. In der tiefsten Erniedrigung zu diesem Senkungspunkte hat man diesem zufolge die schlechtesten und unvollkommensten Gattungen denkender Naturen zu setzen, und hiewärtshin ist, wo diese Trefflichkeit der Wesen sich mit allen Schattierungen der Verminderung, endlich in den gänzlichen Mangel der Überlegung und des Denkens verlieret. In der Tat, wenn man erwäget, daß der Mittelpunkt der Natur zugleich der Anfang ihrer Bildung aus dem rohen Zeuge, und ihre Grenze mit dem Chaos, ausmacht; wenn man dazu setzet, daß die Vollkommenheit geistiger Wesen, welche wohl eine äußerste Grenze ihres Anfanges hat, wo ihre Fähigkeiten mit der Unvernunft zusammenstoßen, aber keine Grenzen der Fortsetzung, über welche sie nicht könnte erhoben werden, sondern nach der Seite hin, eine völlige Unendlichkeit vor sich findet: so wird man, wenn ja ein Gesetz statt finden soll, nach welchem der vernünftigen Kreaturen Wohnplätze, nach der Ordnung ihrer Beziehung zum gemeinschaftlichen Mittelpunkte, verteilet sind, die niedrigste und unvollkommenste Gattung, die gleichsam den Anfang des Geschlechtes der Geisterwelt ausmacht, an demjenigen Orte zu setzen haben, der der Anfang des gesammten Universi zu nennen ist, um zugleich mit diesem in gleicher Fortschreitung alle Unendlichkeit der Zeit und der Räume, mit ins Unendliche wachsenden Graden der Vollkommenheit des Denkungsvermögens, zu erfüllen, und sich, gleichsam nach und nach, dem Ziele der höchsten Trefflichkeit, nämlich der Gottheit, zu näheren, ohne es doch jemals erreichen zu können.«  - (bar2)
 
 

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