ntfaltung  Stirbt ein sehr nahestehender Mensch uns dahin, so ist in den Entwicklungen der nächsten Monate etwas, wovon wir zu bemerken glauben, daß — so gern wir es mit ihm geteilt hätten — nur durch sein Fernsein es sich entfalten konnte. Wir grüßen ihn zuletzt in einer Sprache, die er schon nicht mehr versteht. - (ben)

Entfaltung (2)  Die drei Lesungen des Gesetzes

1.
Jeder Staatsbürger hat das Recht —
Beifall
seine Persönlichkeit frei zu entfalten —
Beifall
insbesondere hat er das Recht auf:
Arbeit —
Beifall
Freizeit —
Beifall
Freizügigkeit —
Beifall
Bildung —
Beifall
Versammlung —
Beifall
sowie auf Unantastbarkeit der Person — starker Beifall.

2.
Jeder Staatsbürger hat das Recht —
Beifall  
im Rahmen der Gesetze seine Persönlichkeit frei zu entfalten —
Rufe:   Hört! Hört!
insbesondere hat er das Recht auf: Arbeit entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen —
Unruhe, Beifall
auf Freizeit nach Maßgabe seiner gesellschaftlich notwendigen Arbeitskraft —
Zischen, Beifall, amüsiertes Lachen, Unruhe
auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden —
schwacher Beifall, höhnisches Lachen, Scharren, Unruhe
auf Bildung, soweit die ökonomischen Verhältnisse sie sowohl zulassen als auch nötig machen -
starke Unruhe, Murren, unversländliche Zwischenrufe, Türenschlagen, höhnischer Beifall
auf Versammlung nach Maßgabe der Unterstützung der Interessen der Mitglieder der Allgemeinheit —
Pultdeckelschlagen, Pfeifen, allgemeine Unruhe, Lärm, vereinzelte Bravorufe, Protestklatschen, Rufe wie: Endlich! oder: Das hat uns noch gefehlt!, Trampeln, Gebrüll, Platzen von Papiertüten
sowie auf Unantastbarkeit der Person —
Unruhe und höhnischer Beifall.

3.
Jeder Staatsbürger hat das Recht, im Rahmen der Gesetze und der guten Sitten seine Persönlichkeit frei zu entfalten, insbesondere hat er das Recht auf Arbeit entsprechend den wirtschaftlichen und sittlichen Grundsätzen der Allgemeinheit —
das Recht auf Freizeit nach Maßgabe der allgemeinen wirtschaftlichen Erfordernisse und den Möglichkeiten eines durchschnittlich leistungsfähigen Bürgers —
das Recht auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit dadurch besondere Lasten entstehen würden oder aber zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand der Allgemeinheit oder zum Schutz vor sittlicher und leistungsabträglicher Verwahrlosung oder zur Erhaltung eines geordneten Ehe-, Familien- und Gemeinschaftslebens —
das Recht auf Bildung, soweit sie für den wirtschaftlich-sittlichen Fortschritt der Allgemeinheit sowohl zuträglich als auch erforderlich ist und soweit sie nicht Gefahr läuft, den Bestand der Allgemeinheit in ihren Grundlagen und Zielsetzungen zu gefährden —
das Recht auf Versammlung nach Maßgabe sowohl der Festigung als auch des Nutzens der Allgemeinheit und unter Berücksichtigung von Seuchengefahr, Brandgefahr und drohenden Naturkatastrophen —
sowie das Recht auf Unantastbarkeit der Person:

Allgemeiner stürmischer, nichtendenwollender Beifall. - Peter Handke, nach (was)

Entfaltung (3)   Die Sätze formten sich von selbst in seinem Kopf. Sobald er in Zorn geriet, entfaltete sich sein Talent. Im nüchternen Zustand wußte er sich nicht auszudrücken. Bevor er Journalist geworden war, hatte er Romane schreiben wollen. Nichts zu machen. Er mußte sich die Worte abringen. Es war, als ob er auf steinigem Boden scharrte. Wenn sich jedoch die Gelegenheit zu Schmähungen und Beschimpfungen bot, dann flossen ihm die Worte von den Lippen, daß es eine Lust war. Dieses herrliche Gefühl der Macht! Man hatte ihm Boshaftigkeit vorgeworfen. Nein, er war nicht boshaft. Vielleicht ein wenig berauscht. Er brauchte diese übertriebenen Formulierungen, wie früher die Dichter ihre wohlklingenden Reime brauchten. Worauf es ihm ankam, das war die plötzliche Eingebung, die glänzende Idee, der Volltreffer, der sich tief ins Bewußtsein prägte; und danach war er für den Rest des Tages glücklich.   - Boileau / Narcejac, Leiche auf Urlaub. Reinbek bei Hamburg 1976

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