ntbindungsstation Unter
einer dunklen, niedrigen Wölbung, die im Verhältnis zur gewöhnlichen Größe des
Insekts gewaltig wäre, breitet sich, sie fast ganz ausfüllend, die ungeheure,
fette, unbewegliche, weißliche Masse des fürchterlichen Idols aus wie ein von
Krabben umgebener Walfisch. Tausende von Anbetern streicheln und belecken sie
ohne Unterlaß, aber auch nicht ohne Eigennutz, denn die königliche Aussonderung
scheint eine solche Anziehungskraft zu besitzen, daß die kleinen Wachsoldaten
tüchtig damit zu tun haben, die Eifrigsten daran zu hindern, ein Stück der erhabenen
Haut fortzuschleppen, um ihre Liebe oder ihren Appetit damit zu stillen. Daher
sind auch die alten Königinnen mit ruhmvollen Narben bedeckt und sehen ganz
geflickt aus.
Um den unersättlichen Mund drängen sich Hunderte von Arbeitern, die ihm den Lieblingsbrei eintrichtern, während am anderen Ende eine zweite Menge die Mündung des Eileiters umgibt und die Eier, sowie sie herausquellen, in Empfang nimmt, wäscht und fortträgt. Zwischen dieser emsig beschäftigten Menge laufen kleine Soldaten umher, die die Ordnung aufrechterhalten, und rund um das Heiligtum, ihm den Rücken kehrend, dem möglichen Feind zugewendet und in strengster Ordnung aufgestellt, bilden großgewachsene Krieger mit aufgesperrten Kiefern eine unbewegliche und drohende Wache.
Sobald die Fruchtbarkeit nachläßt, entzieht man der Termitenkönigin, wahrscheinlich auf Befehl jener unbekannten Aufseher oder Ratgeber, deren unerbittliches Eingreifen uns immer wieder begegnet, jegliche Nahrung, und sie verhungert. Es ist dies eine Art passiven und sehr wirksamen Königsmordes, für den niemand die persönliche Verantwortung trägt. Mit Vergnügen verschlingt man ihre Reste, da sie außergewöhnlich fett ist, und setzt eine der Ersatzlegerinnen an ihre Stelle.
Anders als man bisher annahm, vollzieht sich die Vereinigung nicht wie bei den Bienen während des Hochzeitsfluges, denn im Zeitpunkt dieses Fluges sind die Geschlechtsteile noch nicht reif zur Fortpflanzung. Die Ehe wird erst vollzogen, nachdem das Paar sich gegenseitig die Flügel ausgerissen hat - ein seltsames Symbol, über das sich manches sagen ließe - und nachdem es sich im Dunkel des Termitennestes zusammengetan hat, das es erst im Tode verlassen wird.
Die Termitologen sind über die Art, in der diese Ehe sich vollzieht, nicht
einig. Filippo Silvestri, eine große Autorität auf diesem Gebiet, behauptet,
daß die Begattung, so wie die Organe des Königs und der Königin beschaffen sind,
physisch unmöglich ist und daß der König sich damit begnügt, die Eier beim Austreten
aus dem Eileiter mit seinem Samen zu bestreuen. -
(maet)
Entbindungsstation (2) Gefaßt schaut
eine Bäuerin in die Klarsichtpackung der Säuglingsstation. Dort ist es hygienischer
als überall. Dort sind sie aufgebahrt, die Monika heißen und Franz. Sie haben
nicht für ein Dekagramm Gehirn. Aus ihrem Glashaus werfen sie nicht mit Steinen.
Ihr Inneres modert ab Geburt, es ist mit grünem Schimmel eingeschmiert. In dieser
Packung herrscht der Reif des Gefrier. Diese Kindererbsen, diese Kichererbsen
und zwischen ihnen viele Mengen Zellophan, damit man hineinschauen kann. Dieses
winzige Päckchen, manche im Sonderangebot, andere schon halb aufgetaut und wieder
festgefroren. Nur dies lacht der Hausfrau in ihrem Leben! Daß sogar ein Supermarkt
sie betrügen darf. Der winzige Körper kaninchenähnlich, abgehäutet. Er ähnelt
dem Erguß, aus dem er kam. Ungeformtes über dem Kleinwagenaggregat aus Herzschlag
Hier haltbaren sich die Halbfertigprodukte, die zukünftig Unermüdlichkämpfer
(um etwas Minderes, eine neut Wohnzimmerlampe), die Schmalspurer, die
schrecklicher Sorten, die Fußabtreter, die Ambosse, auf die man schlägt Nein.
Die Krankenschwester lädt sich etwas zuviel auf der Arm, erschrickt selbst:
was hat ihre Arbeitsstätte da wieder hervorgebracht? Filzig klapst der kleine
Rattenbalg aufs Linoleum. Er hat beide Augen das Naturwunder. Diese kleine Wunderpuppe.
Ihr Geschlecht noch ein unbenutzter Fleck unter vielen. Das freundliche Dreibettzimmer
mit automatisierten Gebärenden in der Fülle ihrer gierig schnappenden
Schamzangen. Hier können sogar Frauen etwas
leisten. Auf dem Nachtkastei ein Napf Blumen, die der Mann ungeübt aus dem Fernsehen
gefischt hat. Nun tischt er sie seiner Frau auf. Eine Frischlingsge-bärerin
dankt herzlich. Auch das hat sie im Fernsehen gesehen. Gelernt von einem föhngewellten
Menschen (der Natur liebt, und zwar ein großes Stück in Amerika), leider ist
er so weit weg! Wir möchten ihn alle einmal anschauen gehen, wie groß er in
Wirklichkeit ist. Die Oma schüttet in Abständen, die die Besuchszeit ihr angibt,
blinkende Lek-kerheiten ins Bett. Sie profitiert von der Süßigkeitenaktion im
Supermarkt. Aus alt mach neu. Ihre Tochter blutet ohne Ordnung. Sie macht ins
Bett und erbarmt niemandem. Omi! Die Frau wird zu ihrer Unterleibs wunde herzlich
beglückwünscht. Kolleginnen aus dem Betrieb kommen ebenfalls. Noch mehr Essensabfälle
poltern in den Morast des Kissens. Geschossen von der Daunenschleuder in die
wächserne Nässe einer Geburtsstunde, was kam dabei heraus? Etwas, das so wenig
ist wie seine Mutter. Es wird sofort mit Landessüßigkeiten überhäuft. Verlegen
scharren Großväter tiefe Schrunden in die sterilen Gebärklausen. Sie besuchen
mit selbstgekauften Goldketterln, ausgesucht von ihren ausgesucht zänkischen
Frauen, die Frau Tochter. So rächt sich deine Frau, das unverstandene Wesen.
Ein hilfloser Angehöriger bricht grau angelaufene Billigschokolade wie zum letzten
Abendmahl (die Nachgeburt ist nicht ordnungsgemäß abgegangen). Der Anhänger
mit dem Schutzengerl funkelt auf der Hygienedecke, schon sehnt sich der Mann
wieder nach Verkehr. Die Frau noch nicht zugeheilt. Heilig heilig heilig. Die
Mutter. Schon muß sich aber die Hygiene nach der Decke strek-ken. Dieser Liebesstall
ist vorübergehend geschlossen. Die kuhhafte Gemeinsamkeit von Mann und Frau
kann vielleicht erst nächste Woche wieder stattfinden, rufen Sie doch Montag
noch einmal an! Jetzt, endlich wird die Nachgeburt sichtbar. Sie ist nämlich
unverzichtbar für die Gesundheit der Mutter. Sie zischt aus dem noch ofenwarmen
Rohr. Dieser Mutterdampf (das Kind ist schon lang da, da schauen Sie, was?),
dieser Druck in dem längst durch Arbeit ausgelasteten Leibstopf! Einmal im Leben
Mutter sein, das ist genug. Hinter Sichtgläsern es liebsam bleiben, wenigstens
ein paar Jahre lang. Aber bald schaut keiner mehr hin. - Elfriede Jelinek, Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr. Reinbek
bei Hamburg 1993
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