Enkel  Meine Großeltern lebten in Oldenburg i. O. Mein Großvater betrieb dort eine Schneiderwerkstatt und hatte fünf Kinder. Das fünfte war ein Mädchen und hieß Martha. Sie erlernte ebenfalls das Schneiderhandwerk und brachte es dahin, daß sie die Garderobe der Großherzogskinder von Oldenburg entwerfen und nähen durfte. Früh jedoch ereilte sie das Mißgeschick in Person eines Brasilianers namens Fernando, zu dem sie in Liebe entbrannte. Fernando jedoch verließ bald Europa, ohne Martha mitzunehmen. Diesen Kummer verwand sie nicht und führte fortan ein unsolides Leben, in dessen Verlauf der Grundstein zu meinem Dasein gelegt wurde. Darum habe ich meinen Vater nie gekannt.

Am 14. November 1929 kam ich in einem Hamburger Krankenhaus zur Welt. Meine Mutter hatte sich verständlicherweise für diese Zeit aus Oldenburg ausquartiert. Sie kehrte jedoch bald nach Oldenburg zurück und verbarg mich dort ein halbes Jahr in ihrer Werkstatt außerhalb des Elternhauses. — Als mein Großvater erfuhr, daß er hiermit eben »Großvater« geworden war, wollte er sich aufhängen; zu jener Zeit in solchen Fällen keinesfalls ein absurder Gedanke. Es geschah jedoch nicht. Er gewann seinen Enkel sehr lieb. - (jan)

Enkel (2)  Mein trefflicher Großvater, der recht eigentlich mein wahrer Vater und mein bester Freund war, bis zu meinem Entschluß Im Jahre 1796, mit Hilfe der Mathematik aus Grenoble fortzukommen, erzählte oft eine wunderbare Geschichte.

Meine Mutter hatte mich am 23. Januar 1784, als ich gerade ein Jahr alt war, in sein Zimmer tragen lassen und hielt mich beim Fenster so mit beiden Händen fest, daß ich aufrecht stehen konnte. Mein Großvater, der in der Nähe des Bettes stand, rief mich, ich entschloß mich zu gehen und gelangte bis zu ihm.

Damals konnte ich auch schon ein wenig sprechen, und wenn ich jemanden grüßte, sagte ich hateur. Mein Onkel neckte seine Schwester Henriette (meine Mutter) gerne mit meiner Häßlichkeit. Anscheinend hatte ich einen riesigen kahlen Kopf und glich dem Pater Brulard, einem durchtriebenen Mönch, einem Prasser und Lebenskünstler, der in seinem Kloster großen Einfluß hatte. Er war mein Oheim oder Großoheim und starb vor meiner Geburt.

Ich war sehr unternehmungslustig, daher zwei Unfälle, die mein Großvater mit Schrecken und Bedauern zu erzählen pflegte. Unweit des Felsens bei der Porte de France stupfte ich mit einem Stecken, den ich mit dem Messer zugespitzt hatte, einen Maulesel, der sich das nicht gefallen ließ, ausschlug und mich mit seinen Hufen auf die Brust traf, so daß ich rücklings umfiel. »Es fehlte nicht viel, und er wäre tot gewesen«, sagte mein Großvater.

Ich kann mir das Vorkommnis gut vorstellen, aber wahrscheinlich ist das keine unmittelbare Erinnerung, sondern nur die Erinnerung an das Bild, das ich mir ganz früher von dem Vorfall machte, zu der Zeit, als man mir zum erstenmal davon erzählte.

Das zweite tragische Ereignis war, daß ich mir zwischen meinem Großvater und meiner Mutter zwei Vorderzähne ausschlug, als ich gegen eine Stuhlecke fiel. Mein guter Großvater konnte sich von seinem Schrecken kaum erholen. »Zwischen seiner Mutter und mir!« sagte er m einem fort, als beklage er das übermächtige Verhängnis.

Was mir in der Wohnung im ersten Stockwerk den größten Eindruck machte, war der Umstand, daß ich das Knarren der Eisenstangen hören konnte, mit deren Hilfe man pumpte, und dieses langanhaltende und gar nicht mißtönende Ächzen sagte mir ungemein zu.  - (brul)

 

Großvater

 

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