Fngel, pressanter Es gibt unterwegs nicht nur Dämonen, sondern auch Engel; gestern traf ich einen auf der Toilette, als wäre das der geeignete Ort, um sich mit ihnen zu treffen. Ein armes Engelchen weiblichen Geschlechts, sehr blond, mit großen runden Augen, die verzweifelt zwischen zwei Klos alla turca hin- und herwanderten, während ihre wie Flügel ausgebreiteten Ärmchen die beiden Türen aufhielten. Als sie hörte, daß sich hinter ihr die Eingangstür öffnete, schaute sie sich um und lächelte; ich weiß nicht, ob es daran lag, daß das Sonnenlicht hereinströmte, als die Tür aufging (und auch die frische Luft, denn die göttlichen Düfte, die dort walten, wo Engel zu schweben pflegen, sind bestimmt lieblicher als der Geruch so mancher WCs auf den Rastplätzen), oder daran, daß sie in der Gegenwart eines menschlichen Wesens die Lösung ihres Dilemmas sah. Sie hielt immer noch die beiden Türen auf und schaute mich mit demselben Lächeln an, während ich mir die Hände wusch, um einen natürlichen Eindruck zu machen (ich mußte dringend, aber wie hätte ich einen ganz in Weiß gekleideten Engel von der Statur eines Fünfjährigen bei weiß Gott welchen bedeutsamen Überlegungen stören können?), und dann, während ich meine Hände an den Jeans abtrocknete und mein möglichstes tat, um Hüpfbewegungen zu untefdrük-ken, die meine Drangsal verraten hätten - denn während die Dämonen zu den überspanntesten Taten anstiften, spornen uns die Engel an, die Würde zu bewahren -, ließ sie die beiden Türen los, hüpfte auf mich zu, als hätte sie in meinen Gedanken gelesen und noch genügend diabolisches Blut in den Adern (man weiß ja, wie das mit den Engeln aller Art gewesen ist), um sich über mich lustig zu machen, und fragte mich mit silberheller Stimme:

»Wissen Sie, wie man Pipi macht, Madame?«

Sehnsucht nach den irdischen Funktionen, oder haben Engel die gleichen Bedürfnisse wie wir? Ohne mich in Erläuterungen über die Frage im allgemeinen zu ergehen, machte ich sie in wenigen Worten mit dem Wesentlichen der Installation vertraut, damit die Operation auf die bestmögliche Weise vonstatten gehen konnte, und fragte mich dabei, ob das mehr als weiße Weiß der Engelkleider so leicht schmutzig wird wie das Weiß der Sterblichen. Nachdem ich entschieden hatte, daß dies der Fall sein könnte, empfahl ich ihr, den Rock so weit wie möglich zu heben.

Dachte sie, daß ich ihr das besser vorführen sollte? »Danke«, sagte sie, und ich dachte, ich sollte ihr vielleicht meine Hilfe anbieten, doch meine Scham ließ es nicht zu. Man kann doch Engel nicht einfach so berühren, oder? Sie öffnete erneut eine der Türen, warf einen langen Blick auf die Anlage mit dem Loch und schüttelte dann den Kopf. »Danke. Ich glaube, ich geh besser meine Mutter holen.«   - Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)

 

Engel Es eilig haben

 

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