itelkeit  Eigentümlich ist es, daß, wenn man noch eben die Vorzüge Wilhelms aufrichtig bewundert, einem doch wieder ein Ausspruch von seiner Schwester Charlotte Ernst in den Sinn kommen kann, die einmal an Novalis über ihre Brüder schrieb:

»Wenn sie sich recht strenge selbst prüfen wollten, so würden sie finden, daß nicht allein die reine Liebe zum Guten und Wahren ihre Triebfeder ist, sondern daß etwas Mutwille zugrunde liegt und eine Eitelkeit, ihre brillant witzigen Einfälle nicht unterdrücken zu können.« Diese Eitelkeit ist vielleicht zu allgemein menschlich, um nicht vollkommen entschuldbär zu sein, und doch ist es so: man weiß, es war ihnen ernst; sie sagten ihre Überzeugung, auch wenn es gegen ihren Vorteil war, und trotzdem empfinden wir nicht die Bewunderung und Sympathie, die wir für ein mutvolles und uneigennütziges Betragen haben. Vielleicht hängt es mit dem Gefühl zusammen, als hätten sie nicht so handeln müssen, als sei Absicht dabei gewesen; und man schätzt nun einmal den blinden Trieb zum Guten höher als die löblichste Absicht. Charlottens Tadel bezieht sich auf beide Brüder; Wilhelm allein eigen - sogar im Gegensatze zu Friedrich - ist eine Eigenschaft, die noch ärgerlicher berührt als Mutwille oder Eitelkeit: die Korrektheit, die über sein ganzes Wesen und alle seine Handlungen ausgegossen war. Schon seine äußere Erscheinung war peinlich korrekt, »allerliebst geputzt und gesalbt«, wie Karoline neckend sagte; aber auch das jedenfalls nicht zuviel. Ebensowenig war jemals etwas an seinem Betragen auszusetzen. Ob Karoline ihm einen Korb gab oder seine Hilfe beanspruchte oder sich von ihm scheiden lassen wollte - er war immer gleich höflich, ohne sich wegzuwerfen, gefaßt und entgegenkommend, ohne frivol zu sein; tat, was in seiner Macht stand, um sie zu schonen, ohne zu zögern, noch auch zu überstürzen, sowohl ohne Schwäche als ohne Gewaltsamkeit. Einzig in einer gewissen Schärfe des Wesens verriet sich zuweilen seine Unzufriedenheit. Ebenso im brüderlichen Verhältnis: Friedrich bat ihn nie umsonst um Geld, er war immer hilfsbereit, und zwar ohne seine Gabe durch mehr Vorwürfe und Ermahnungen als nötig waren zu vergällen; obwohl er viel zu verständig war, um verschwenderisch oder auch nur besonders freigebig zu sein, hätte man ihn doch nicht berechnend nennen können. Mustergültig war auch sein Benehmen gegen literarische Feinde und Angreifer: er bediente sich nur ehrlicher Mittel im Kampf, nie war er falsch oder hinterlistig, die Geringeren beachtete er kaum, sondern stürmte neuen Feinden entgegen. Andrerseits atmete auch die erwähnte Ehrenrettung Bürgers vollendete Tadellosigkeit aus. Kurz, man muß immer loben, wie er handelte; und doch ist vielleicht diese einwandfreie Korrektheit gerade das, was ihn der wärmeren Zuneigung am meisten entrückt. - Ricarda Huch, Die Romantik. Blütezeit, Ausbreitung und Verfall. Tübingen 1951 (zuerst 1899)

Eitelkeit (2)  Mein Vater hatte eine kleine Lieblingsstute, die er einem sehr schönen arabischen Hengst anvertraut hatte, um ein Füllen für sich selbst von ihr zu erzielen. Er war sanguinisch in allen seinen Projekten, und also sprach er täglich von dem Füllen mit solcher Selbstverständlichkeit, als ob es schon ausgewachsen, gezähmt, gezäumt und gesattelt vor seiner Tür stünde, so daß er nur aufzusteigen brauche. Durch irgendein Versehen Obadiahs ergab es sich jedoch, daß aus meines Vaters Erwartungen nichts anderes wurde als ein Maulesel, und zwar ein so häßliches Tier, wie nur je eines in die Welt gesetzt wurde.

Meine Mutter und mein Onkel Toby erwarteten, daß mein Vater Obadiah umbringen und daß das Unheil gar kein Ende nehmen würde. — „Nun seh Er einmal, Schurke", rief mein Vater und wies auf den Maulesel, „was Er gemacht hat!" — „Das hab ich nicht getan", sagte Obadiah. — »Woher kann ich das wissen?" versetzte mein Vater.

Triumph über diese witzige Antwort schwamm in meines Vaters Augen. Das attische Salz füllte sie mit Wasser, und so hörte Obadiah kein Wort weiter darüber.  - (shan)

Eitelkeit (3) Zu den Dingen, welche einem vornehmen Menschen vielleicht am schwersten zu begreifen sind, gehört die Eitelkeit: er wird versucht sein, sie noch dort zu leugnen, wo eine andere Art Mensch sie mit beiden Händen zu fassen meint. Das Problem ist für ihn, sich Wesen vorzustellen, die eine gute Meinung über sich zu erwecken suchen, welche sie selbst von sich nicht haben - und also auch nicht "verdienen" —, und die doch hinterdrein an diese gute Meinung selber glauben.   - Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse (zuerst 1886)

Eitelkeit (4)

- B. Kliban

Eitel Egoismus
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