isenfaust   Plötzlich hörte man ein Geräusch: leise, behutsame, aber sichere Schritte kamen die Treppe vom oberen Stock herunter. Wie von Filzschuhen gedämpft klang es. Da — ein kleiner, weißhaariger Herr kam die Stufen herab und schritt uns freundlich entgegen.

Er war es, der Meister selbst. Er hatte es sich überlegt und kam seinem treuen Anhänger guten Tag sagen.

Wir hatten uns höflich erhoben. Ich kaute noch an meinem Stück Napfkuchen, was er aber nicht zu sehen schien. Er reichte uns beiden die Hand.

«So, so. Sie sind Maler, höre ich», sagte er, als er mir die Hand gab, eine kleine, welke Greisenhand. Wie aus Glacéleder, dachte ich. Aus Glacéleder mit braunen Punkten, blau marmoriert. Ich dachte an die Erfindungen dieses seltsamen Schriftstellers, der sich in seiner Phantasie in die unmöglichsten Gefahren begeben hatte, der sich eine Faust von Eisen zugelegt hatte, mit der er einen Ochsen niederschlagen konnte — und der nun zwar äußerlich ruhig, doch nervös, besorgt und ängstlich in leisen, bitteren Worten mit meinem Freund Liebe über seinen bevorstehenden Prozeß konferierte.

Das also war Old Shatterhand in Wirklichkeit: ein kleiner, feiner, hochzugeknöpfter Herr mit weißem Schnurrbart, mit der napoleonischen Fliege unter dem Kinn und dem etwas gewellten langen Haupthaar, wie man es um 1870 trug. Die Augen waren hellblau, wie mit weiß gemischt, und tränten in den Ecken, als seien sie in den Wind oder Zug gekommen. Nichts Furchteinflößendes, schrecklich Blondes war um diesen Herrn, aber auch nichts besonders Anziehendes. Man hatte den Eindruck, der sei innerlich voll Ruhe, Heimlichkeit und Vorsicht gewesen. Er schien bestrebt, leiser aufzutreten als gewöhnliche Menschen, nicht lauter. Seine zierlichen Lederstiefelchen wirkten fast wie lederne Filzpantoffel, wenn ich so sagen darf.

Immer wieder sah ich auf die kleine, zierliche, greise Schriftstellerhand aus rosa Glacéleder. In seinen Wunschträumen trieben doch diese weißen Knöchel einen Zimmermannsnagel mit einem Hieb durch ein vierzölliges Eichenbrett! Etwas Kühles, leicht Frierendes war auch um ihn, gewissermaßen als stünde er immer im Winde und fröre...

Bald verabschiedete er sich fast geräuschlos und ging von uns fort, in sein Studierzimmer hinauf oder vielleicht auch gleich ins Bett. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

 

Faust

 

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