inverständnis  

Das weibliche Gesicht hat etwas Bösartiges ; das männliche zeigt schlaue Feinheit. Sie werden aber doch in gutem Einverständnis leben.

Keines von beiden hat das Gepräge von Empfindsamkeit.

Verstand, Kälte und Klugheit werden dem Gatten ein starkes Übergewicht gegen seine Gefährtin geben. Er wird ihren Geschmack geschickt leiten , und sie , ohne daß sie es ahnt, auf den Weg des Verstandes hinführen. Sie hat indeß einen gewissen leichten Eigensinn , und neigt sich auch ein Bischen zur Koketterie hin.

Hätte ich diesem jungen Weibe einen Gatten von weniger Feinheit und Gewandtheit beigesellt , so würde ich ihr wechselseitiges Glück  nicht gegründet haben , und Uneinigkeit hätte unter ihnen gewaltet.

In Ansehung des häuslichen Glückes scheint es mir zwar gleichgültig, ob der Mann die Frau , oder diese ihn beherrsche. Ich gebe jedoch zu , daß der erstere weit vorzuziehen ist , weil er der Einrichtung der Natur mehr gemäß ist , die dem Manne Stärke , Kraft und Thätigkeit gab , indeß das Weib zu ihrem Antheil Gelehrigkeit und Sanftmut empfing. Man geräth aber ganz natürlich auf den Gedanken, da , wenn die Natur diese Gaben im umgekehrten Verhältnis ausgetheilt hat, das Weib jenen Einfluß gewinnen muß , welchem sie vermöge ihrer Eigenschaften zu fordern berechtigt ist. - Die Kunst, in der Liebe und Freundschaft eine glückliche Wahl zu treffen. Nach den Regeln der Sympathie erläutert. 1816 (Die bibliophilen Taschenbücher, Dortmund 1980)

Einverständnis (2)   Mein Körper gehorchte nicht mehr den Formeln, die in meinem Geist Gültigkeit hatten, den Formeln der alten beschränkten Vernunft; mein Wille vermochte nicht mehr, meinen Bewegungsapparat in Gang zu bringen, und weil er so ohnmächtig war, mußte ich zuerst die Angst loswerden, die mich lähmte, und dann versuchen, zwischen den Bergen, meinem Geist und meinem Körper eine Übereinstimmung herzustellen. Um mich in dieser neuen Welt bewegen zu können, nahm ich mein Erbe an britischer Diplomatie zu Hilfe, ließ meine Willenskraft beiseite und versuchte mit Zartgefühl, das Einverständnis zwischen den Bergen, meinem Körper und meinem Geist zuwege zu bringen.

Eines Tages ging ich allein ins Gebirge. Zunächst vermochte ich nicht zu steigen; daraufhin legte ich mich bäuchlings auf den Hang - wobei ich das Gefühl hatte, ganz und gar von der Erde aufgesogen zu werden. Als ich die ersten Schritte bergauf machte, hatte ich die körperliche Empfindung, unter ungeheuren Anstrengungen durch einen schlammzähen Stoff zu gehen. Doch nach und nach wurde dies merklich leichter, und nach einigen Tagen bereitete es mir keinerlei Schwierigkeiten mehr, mit der Behendigkeit einer Ziege zu springen und senkrechte Mauern zu erklettern. Ich tat mir nur selten weh und verstand nun sogleich, daß es die Möglichkeit eines sehr nützlichen Einverständnisses gab; ich hatte sie bis dahin nur nicht bemerkt. Am Ende erreichte ich, daß ich keinen Fehltritt mehr machte und mich in den Felsen bewegte, wie es mir gefiel. - (unt)

Einverständnis (3)  Das Haus hat den Umfang der Welt; besser gesagt, es ist die Welt. Und doch: nachdem ich so viele Höfe mit Zisternen und staubige Galerien aus grauem Stein abgelaufen hatte, gelangte ich auf die Straße und sah den Tempel der Äxte und das Meer. Das konnte ich nicht begreifen, bis ein nächtliches Gesicht mir enthüllte, daß auch die Zahl der Meere und Tempel vierzehn [unendlich] ist. Alles ist viele Male da, vierzehn Male, aber zwei Dinge in der Welt scheint es nur einmal zu geben: oben die verwirrende Sonne; unten Asterion. Vielleicht habe ich die Sterne und die Sonne und das ungeheure Haus geschaffen, aber ich entsinne mich dessen nicht mehr.

Alle neun Jahre betreten das Haus neun Männer, damit ich sie von allem Übel erlöse. Ich höre ihre Schritte oder ihre Stimmen in der Tiefe der Steingalerien und eile ihnen frohlockend entgegen. Die Zeremonie dauert nur wenige Minuten. Einer nach dem anderen fallen sie, ohne daß Blut an meine Hände kommt. Wo sie gefallen sind, bleiben sie liegen, und die Leichen helfen eine Galerie von den anderen unterscheiden. Ich weiß nicht, wer sie sind, aber ich weiß, daß einer in seiner Todesstunde prophezeit hat, einmal werde mein Erlöser kommen. Seitdem schmerzt mich die Einsamkeit nicht mehr, denn ich weiß, daß mein Erlöser lebt und sich am Ende über den Staub erheben wird. Wenn mein Ohr alle Geräusche der Welt vernähme, würde ich seine Schritte vernehmen. Wenn er mich doch an eine Stätte brächte, wo weniger Galerien und weniger Türen sind. Wie wird, so frage ich mich, mein Erlöser sein? Wird er ein Stier sein oder ein Mensch? Wird er ein Stier mit Menschenantlitz sein? Oder wird er sein wie ich?

Die Morgensonne funkelte vom bronzenen Schwert. Längst war keine Spur von Blut mehr daran.

»Kannst du das glauben, Ariadne?« sagte Theseus. »Der Minotaurus hat sich kaum gewehrt.«   - J. L. Borges, Das Haus des Asterion. Nach (bo3)

Zustimmung
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Verstehen
Synonyme