inschränkung
Es ist itzo die Mode, Schnallen an den Beinkleidern
zu tragen, womit man sie nach Belieben weiter und enger schnürt.
Wir wollen uns ein Gewissen nach der
neuesten Façon anmessen lassen, um es hübsch weiter aufzuschnallen,
wie wir zulegen. Was können wir dafür? Geht zum Schneider! Ich
habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe
schwatzen gehört, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß
machen könnte - Das ist dein Bruder! - das ist verdolmetscht:
Er ist aus eben dem Ofen geschossen worden, aus dem du geschossen
bist - also sei er dir heilig! - Merkt doch einmal diese verzwickte
Konsequenz, diesen possierlichen Schluß von der Nachbarschaft
der Leiber auf die Harmonie der Geister, von ebenderselben Heimat
zu ebenderselben Empfindung, von einerlei Kost zu einerlei Neigung.
Aber weiter - es ist dein Vater! Er hat dir das Leben gegeben,
du bist sein Fleisch, sein Blut - also sei er dir heilig. Wiederum
eine schlaue Konsequenz! Ich möchte doch fragen, warum hat er
mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir, der erst
ein Ich werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte?
Oder hat er mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich
gewünscht, da er mich machte? Wußte er, was ich werden würde?
Das wollt ich ihm nicht raten, sonst möcht ich ihn dafür strafen,
daß er mich doch gemacht hat! Kann ichs ihm Dank wissen, daß
ich ein Mann wurde? So wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn
er ein Weib aus mir gemacht hätte. Kann ich eine Liebe erkennen,
die sich nicht auf Achtung gegen mein Selbst gründet? Konnte
Achtung gegen mein Selbst vorhanden sein, das erst dardurch entstehen
sollte, davon es die Voraussetzung sein muß? Wo stickt dann nun
das Heilige? Etwa im Aktus selber, durch den ich entstund? -
Als wenn dieser etwas mehr wäre als viehischer Prozeß zur Stillung
viehischer Begierden? Oder stickt es vielleicht im Resultat dieses
Aktus, der doch nichts ist als eiserne Notwendigkeit, die man
so gern wegwünschtet wenns nicht auf Unkosten von Fleisch und
Blut geschehn müßte? Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben,
daß er mich liebt? Das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schoßsünde
aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettieren, wär es auch
noch so häßlich. - Sehet also, das ist die ganze Hexerei, die
ihr in einen heiligen Nebel verschleiert, unsre Furchtsamkeit
zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen wie
einen Knaben?
Frisch also! mutig ans Werk! - Ich will alles um mich her
ausrotten, was mich einschränkt, daß ich nicht Herr
bin. - Friedrich Schiller, Die Räuber