»Bevor sie eingeschläfert werden«, erklärte mir mein Begleiter, »nehmen sie eine heißes Bad, damit die Haut recht weich und locker wird.«
»Belieben Sie nun, mir weiter zu folgen. Hier ist der Einschläferungsraum.« Ein Lager war in der Mitte des kleinen Gemachs aufgestellt. Es lief auf Gummirädern, wie die Betten, in denen die Patienten in den Krankenhäusern zur Operation geführt werden.
Eine sehr schöne, schwarzhaarige Dame lag in ihrem Bademantel ausgestreckt
auf dem Lager. Um sie herum bewegte sich ein kleiner, beweglicher Herr mit braunem
Vollbart und einer Glatze, die mit einem Kranz klein gelockter Haare umgeben
war. Er war in eine weiße Operationsschürze gehüllt, wie sie die Ärzte tragen,
und sprach beruhigende Worte zu der Patientin, während er schlenkernde Bewegungen
mit den Unterarmen machte. Die Ellenbogen hatte er krampfhaft an den Oberkörper
gepreßt. Und so gemahnte er an einen sprechenden Lurch. Er sagte mit ausländischem
Akzente: »Liebes Fräulein — liebes — nicht erschrecken, nicht erschrecken, die
Maske kommt!« Von oben senkte sich die Äthermaske, die von dem ausgestreckten
Arm einer Pflegerin gereicht wurde, auf das Gesicht der Patientin. Der kleine
Mann sprang hinzu, drückte sie dem Mädchen fest auf Nase und Mund und hielt
ihre Arme fest. Ein Zucken ging noch durch den Körper,
das bald erstarb. Der Professor entfernte die Äthermaske,
behorchte das Herz und machte dann geschickt in Gesicht und Genick, Hände und
Füße fünf Injektionen. »Ferrtig!« sagte er schnurrend. »Die Nächste!«
- Friedrich Freksa, Berliner Reiseerlebnis.
In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg.
Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1919)
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