Einraumwohnung 

 
Einraumwohnung 

- Bettina Rheims

Einraumwohnung (2)  Sie blieb im Schneidersitz auf dem Futon sitzen, starrte ins Nichts und blickte weiterhin die Wand an. Ich entdeckte eine Kakerlake - ordentliche Größe, über zwei Zentimeter -, die senkrecht die Wand hinab zum Boden lief. Sie war robust, glänzte, bewegte sich in einem anständigen, stetigen Tempo und gedieh in dieser Umgebung ganz offensichtlich prächtig. Ich sah ihr zu, wie sie den Boden erreichte, eine Plastikflasche Pepsi umrundete, an Mäusekötteln - oder Rattenkot - vorbeihuschte und geschwind in einer Spalte zwischen Wand und Dielen verschwand.

Mein Gesicht und Hals waren schweißnaß.

»Sind Sie sicher, daß der Ventilator nicht funktioniert?« fragte ich.

»Er ist kaputt, hab ich doch gesagt.«

»Hier drinnen sind es mindestens zweiunddreißig Grad«,

sagte ich und wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn. »Ich versteh nicht, wie Sie hier wohnen können.«

»Tut mir leid, ist eben nicht das scheiß Plaza Hotel«, sagte sie.

Sue wandte den Blick ab, und ich sah, wie eine zweite Kakerlake unter dem Herd hervorkroch. Ich zertrat das Ungeziefer, verschmierte die glänzenden Reste auf dem Boden, setzte mich auf einen der Stühle und hoffte, so etwas weniger zu schwitzen. Tat ich aber nicht. Schweiß troff mir von der Stirn, als spielte ich Basketball im letzten Viertel.

»Wieso ist dieses Gebäude eigentlich derart runtergekommen?« fragte ich.

»Wie meinen Sie das?« fragte Sue.

»Die Müllhaufen unten an der Treppe, die Kakerlaken und Mäuse. Die übrige Gegend ist doch saniert worden. Also wie kommt es, daß hier noch nichts passiert ist?«

»Sie meinen, warum noch keine Yuppies in dies Haus eingefallen sind?«

»Ja.«

»Ist ein mietpreisgebundenes Gebäude«, sagte sie. »Die Leute wohnen hier schon seit Jahren.«  - Jason Starr, Twisted City. Zürich 2005

 

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