ingang  Der, dem ich geholfen hatte, war einer von den Großköpfigen. Die Hälfte aller Reisfelder hat ihm gehört. Die Gelben dort sind eine hinterlistige Bande und von den chinesischen Statthaltern seit Jahrhunderten geschurigelt. Man kann aber doch den Punkt finden, an dem man vertrauen darf, dort kennen sie Dankbarkeit. Es gibt eine besondere Weise, mit ihnen umzugehen. Mein neuer Freund hat mich zum Essen eingeladen und fürstlich aufgetischt, Reis mit Ragouts aus verschiedenem Fleisch, Tintenfische, Bambus und Lotoskerne, Ingwer und eingelegte Früchte, auch ganze Blumen, die in buntem Zucker gesotten sind. Zum Nachtisch hat er Opium geraucht und auch mir davon angeboten, wie es dort zur Bewirtung gehört. Das ist so, wie man bei uns nach dem Essen Kirsch- oder Obstwasser kredenzt. Ich habe mich auf die Matte gelegt und zum Spaß zwei oder drei Pfeifen geraucht.

Es ist schwer zu beschreiben, wie es mir da zumut geworden ist. Du mußt dir denken, daß an einem Wege, den du schon hundert Mal gegangen bist, der Eingang zu einer Höhle sich geöffnet hat. Du trittst halb mit Angst, halb mit Neugier hinein und siehst nun Dinge wie im Abgrund des Meeres oder in einem chinesischen Palast. Dort hörst du unbekannte Musik, erkennst die Bedeutung der Worte, begegnest Geistern, die dir Rede und Antwort stehen. Du siehst das Kleine unendlich vergrößert und das Große unendlich klein, kannst Stunden um Stunden eine Blume betrachten und siehst die Welt wie einen Apfel, den du mit der Hand umschließt. Du wandelst durch ausgestorbene Städte voll Schlössern und Denkmälern — sie sind aber nicht richtig ausgestorben, sondern nur erstarrt. In jedem Schlosse sind tausend Zimmer, und in jedem Zimmer sind Welten, die zu leben beginnen, wenn du es betrittst. Die Bilder wimmeln, wohin du blickst. Sie sind dir dienstbar, du zauberst sie herbei. Du lernst den Reichtum der Welt verachten, den Ruhm, die Weiber, das Geld und die menschliche Macht, denn du bist Geisterkönig in Reichen, in denen du von deinem Thron aus den Gang der Sterne und Staubkörner regierst. - "Benoit", in: Ernst Jünger, Afrikanische Spiele. München 1987 (dtv 10688, zuerst 1936)

Eingang (2) Durch üppig verzweigtes Gebüsch, über unwegsames Gestein hinauf, klommen die Ritter, während der Sturm heulend den waldigen Abhang hinunterzog, und in grausiger Tiefe mit den Wellen eines ungestümen Bergwassers brüllend rang. Endlich zeigte sich durch die bereiften Äste der Buchen, durch der Tannen schneebelastetes Dunkelgrün, ein freier Platz, welchen sie alsbald im Betreten für den vom Köhler angegebnen erkannten. Denn hoch in dessen Mitte, fast wie ein Feisengeklipp, ragte der heidnische Opferherd gegen den Himmel an, und der Mond, plötzlich aus einer Wolke vorbrechend, warf seinen bleichen Totenschimmer auf schwarze Holzbrände und verwittertes Gebein, über der furchtbaren Oberfläche des Baues zusammengehäuft.

Noch standen die Ritter zweifelnd vor dem gewaltigen Herde, ungewiß, ob sie hier die Erscheinungen der freveln Abgötterei erwarten, oder lieber angreifend die Eingänge aufsuchen sollten, aus welchen früher der Köhler die beiden Geharnischten hatte hervorkommen sehen. Da merkten sie mit einigem Schaudern unversehens, daß sie zu vieren waren: ein riesengroßer, aber ganz schattenartig aussehender Mann stand neben ihnen. Der sagte mit hohler, unartikulierter Stimme: »Ihr meint es gut, und ich möchte euch doch lieber raten, abzustehen. Die drunten sind verzweifelt stark. Wollt ihr aber durchaus nicht ablassen, da müßt ihr an die Nordseite des Herdes, wo die beste Einfahrt ist, dreimal mit den Klingen anklopfen, und dazu sagen:

Gib uns guten Gang du,
Gries, Gestein und Graswuchs.
Haußen harren Starke,
Haben Lust zum Abgrund.

Angriff ist immer das beste. Bei meinen Lebzeiten hab' ich grimmige Tiere auch lieber angefallen, als mich von ihnen anfallen lassen.«   - Friedrich de la Motte Fouqué, Der Zauberring. München 1984 (zuerst 1813)

Eingang (3)  Ungestüm lief Albano eine von Überhängen verfinsterte Treppe hinab und kam auf ein altes Schlachtfeld - eine dunkle Wüste mit einer schwärzen Mauer, nur von weißen Gipsköpfen durchbrochen, die in der Ecke standen, als wollten sie versinken oder auferstehen - ein Turm voll blinder Tore und blinder Fenster stand in der Mitte, und die einsame Uhr darin sprach mit sich selber und wollte mit der hin- und hergeführten eisernen Rute die immer wieder zusammenrinnende Welle der Zeit auseinanderteilen - sie schlug drei Viertel auf 12 Uhr, und tief im Walde murmelte der Widerhall

     wie im Schlafe und sagte noch einmal leise den entfliegenden Menschen die fliegende Zeit. Der Weg umlief im ewigen Kreise ohne Pforte die Gottes-sckermauer; Alban mußte, nach der Nachricht, eine Stelle an ihr suchen, wo es unter ihm brausete und schwankte.

Endlich trat er auf einen mit ihm sinkenden Stein, da fiel ein Ausschnitt der Mauer um, und ein verstrickter Wald aus Baumklumpen, deren Stämme sich in Buschwerk einwickelten, war vor jeden Strahl des Mondes gewälzt. Als er unter der Pforte sich umsah, hing über der schattigen Treppe ein bleicher Kopf gleich einer Büste des Mordfeldes und ging ohne Körper herab, und die verbluteten Toten schienen aufzuwachen und ihm nachzulaufen - der kalte Höllenstein des Schauders zog sein Herz zusammen; er stand; — der Leichenkopf schwebte unbeweglich über der letzten Staffel.

Auf einmal sog das Herz wieder warmes Blut, er wandte sich gegen den unförmlichen Wald mit gezogenem Degen, weil er sein Leben neben dem bewaffneten Tode vorbeitrug. Er folgte in der Finsternis der grünenden Türme dem Getöse des unterirdischen Flusses und dem Wiegen des Bodens. Zum Unglück sah er sich wieder um, und der Leichenkopf stand noch hinter ihm, aber hoch in den Lüften auf dem Rumpfe eines Riesen. — Der höchste Schauer trieb ihn allzeit mit zugedrückten Augen auf ein Schreckbild los; er rief zweimal durch den hallenden Wald: »Wer ist da?« Aber als jetzt auf einmal ein zweiter Kopf neben dem ersten zu stehen schien; so klebte seine Hand an dem eiskalten Schlosse der Pforte der Totenwelt gefroren an, und er riß sie blutig ab. —

Er floh und stürzte durch immer dichtere Zweige endlich hinaus in einen freien Garten und in den Glanz des Mondes; — hier, ach hier als er den heiligen unsterblichen Himmel und die reichen Sterne im Norden wieder schimmern sah, die nie auf- und untergehen, den Pol-Stern und Friedrichs Ehre, die Bären und den Drachen und den Wagen und Kassiopeja, die ihn mild wie mit den hellen winkenden Augen ewiger Geister anblickten; da fragte der Geist sich selber: »Wer kann mich ergreifen, ich bin ein Geist unter Geistern«-; und der Mut der Unsterblichkeit schlug wieder in der warmen Brust. - Jean Paul, Titan


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