Die Marquise de Brinvilliers |
Gestern ist das Urteil gesprochen, heute früh
ihr vorgelesen worden: öffentliche Abbitte in Notre-Dame, dann enthauptet,
verbrannt, zuletzt die Asche in den Wind gestreut. Man hat sie noch zur Folter
geführt. Sie erklärte, das sei unnötig, sie werde alles gestehen, und tatsächlich
erzählte sie bis fünf Uhr abends ihr ganzes Leben, das noch viel schlimmer war,
als man angenommen hatte. Ihrem Vater habe sie zehnmal hintereinander Gift gegeben,
so schwer sei es gewesen, ihn umzubringen. Ihre Brüder hat sie vergiftet und
noch viele andere Leute, und all dies ist vermischt mit Liebschaften und anvertrauten
Geheimnissen. Gegen Penautier hat sie nichts ausgesagt. Nach diesen Geständnissen
wurde sie doch noch gefoltert, im ersten und zweiten Grad. Es war ihr nichts
mehr zu entlocken. Sie verlangte, mit dem General-Prokurator zu reden und blieb
lange bei ihm. Den Inhalt des Gespräches kennt man noch nicht. Um sechs Uhr
hat man sie, nur mit dem Büßerhemd bekleidet, den Strick um den Hals, nach Notre-Dame
geführt, um öffentliche Abbitte zu tun, sie dann wieder in den zweirädrigen
Karren gepackt, in dem ich sie gesehen habe. Sie lag im Hemd rücklings auf dem
Stroh, eine Kapuze tief über die Augen gezogen, einen
theologischen Doktor auf der einen, den Henker
auf der anderen Seite: ein schauerlicher Anblick. Die der Hinrichtung beigewohnt
haben, sagen, sie sei tapfer aufs Schafott gestiegen. - (
sev
)
- Catherine Millet, Das sexuelle Leben der
Catherine M. München 2001
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