Eigenmastkissen Wie leicht verliert ein Gesäß sein Wissen um die Lieblichkeit. Es wird zum althochdeutschen „gisazi" — Sitz, Gestühl; zum nüchternen Sessel. Nun liebe ich zwar Adolf Loos und schmucklose Funktionenmöbel, ich verlange also nicht, daß ein Gesäß tätowiert sei oder bei Bauchweh das Salzburger Glockenspiel wiedergebe, aber so wie ein trefflicher schmuckloser Sessel a) Sessel und b) Architektur ist, Architektur von höchster Anmut und Raffinade, so sollte doch ein gutes gebrauchsfähiges Eigenmastkissen zugleich immer Frechheit bleiben, Lockung und Zuneigung.

 In der Paddelclub-Siedlung stieg eine aufs Rad, zerrte lieblos den Rock zwischen sich und dem Sattel zurecht — Chemiekaufmann J. fühlte: die hat ihren Hintern nicht lieb. Für sie ist er nur der Bleiklotz beim Gehen, der Wäscheverstinker, der Kleidzerdrük-ker. War es eine jener Frauen, die in jedem Moment der Unbewachung das Erotiksein abstreifen wie einen lästigen Mummenschanz? War sie abgestumpfte Hausgenossin eines abgestumpften Mannes? Kann man überhaupt abstumpfen — nämlich körperlich und irregenerabel? Ist nicht nach einem Tag Fasten das Bauchgrimmhuhn wieder Lockvogel? — Chemiekaufmann J. machte die Defeminierung nicht mit: er setzte die guten Körperteile der Nichtsahnenden wieder in ihre Rechte ein, gab sich den kurzbekleideten dicken braunen Oberschenkeln, dem straßenmeterkauenden schweren Gesäß und der Raffung körperwarmen dünnblumigen Kleidchenstoffes. Das wäre noch schöner, sagte er sich, das Entgegenrecken nicht als Gruß, den knetenden Gang nicht als Tänzchen zu nehmen, das Kleid nicht als Wegzuhebendes, unter dem das Nacktsein aufduftet.   - (oko)

 

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