ifersuchtssucht  Seine erste Frau war hübsch und lebhaft, wie man das nannte. Er hätte sich mit ihr am liebsten zuhause eingeschlossen, aber sie wollte ausgehen, und während er schon Mühe hatte mit einer normalen Gangart, wollte sie tanzen. Erst seine Eifersucht hatte sie darauf gebracht, ihn zu betrügen; jeder ihrer Seitensprünge band ihn stärker an seine Frau, aber dann ging sie ein festes Verhältnis ein, erst da fühlte er sich hintergangen. Seine zweite Frau war knapp zwanzigjährig. Als er sich mit ihr zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zeigte, meinten alle, er habe sie in einem frommen Zirkel kennengelernt und führe sie aus Gefälligkeit aus. Er zwang sie, dekolletierte Kleider zu tragen, aber niemand schaute ihr in den Ausschnitt, er schickte sie zum teuersten Friseur, aber es erkundigten sich lediglich Frauen nach der Adresse dieses Coiffeurs, er ließ wöchentlich zweimal den Masseur kommen, aber niemand drehte sich nach ihrer Figur um. Damals hatte er auch den Immunen eingeladen, und er war vor ihm auf den Knien herumgerutscht, hatte die Türe zum Schlafzimmer geöffnet und das Bett aufgeschlagen, aber der Immune hatte abgewehrt, man müsse die heilige Institution der Ehe respektieren. Es gab Leute, die behaupteten, er habe Richard in den Tod getrieben. Denn dieser starb bald darauf, sein Herz war an einer Eifersuchts-Atrophie gebrochen. Am Grab aber, da blühte die Frau auf; alle männlichen Trauergäste sahen ihr in den Ausschnitt, bewunderten ihr Haar und ihre Figur. - Hugo Loetscher, Die Papiere des Immunen. Zürich 1986
 
 

Eifersucht

 

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