"Daß dir der Grund meines Rasens nicht unbekannt bleibe:
ich habe Scylla gesehn am italischen Strand, den Mauern Messanas dort
gegenüber. Beschämend, mein Bitten, Versprechen und Schmeicheln, all
die Worte, die hart sie verschmäht hat, noch einmal zu sagen. Du,
wenn irgend Macht in Liedern gelegen, so sing' ein Lied mit dem
heiligen Mund; ist mehr durch ein Kraut zu erkämpfen, nutze du
dann die erprobteste Kraft eines wirksamen Krautes. Daß du mich
heilst, die Wunde hier stillst, ist nicht was ich bitte: nicht
ein Ende soll sein, sie fühle ihr Teil an den Gluten!"
Circe jedoch — es hat nämlich keine für solches Entflammen leichter
empfänglichen Sinn (mag sein, daß der Grund in ihr selbst liegt,
sei es, daß Venus es wirkt, den Verrat des Vaters zu rächen)
— Circe entgegnete ihm: „Eine Willige suchtest du besser, eine,
die Gleiches begehrt, die von gleichem Verlangen erfaßt ist. Würdig
warst du, gebeten zu werden — und konntest es wirklich — und,
wenn du Hoffnung gibst, so — glaube mir — wirst du gebeten. Daß
du nicht zweifelst, daß Zutraun zu deiner Gestalt dir nicht fehle:
ich, die ich Göttin bin, eine Tocher des strahlenden Phoebus,
die ich durch Lieder soviel, soviel durch Krauter vermag, ich
wünsche, die Deine zu sein. Verachtung verachte, Willfahren
zahle mit Gleichem und gib in Einem Zweien Genugtuung."
Ihr, die so ihn versucht, entgegnet Glaucus: „Es wachsen Bäume
im Meere zuvor und Algen auf Gipfeln der Berge, ehe mein Lieben
sich wandelt, solange Scylla mir heil ist!" Tief empört
ist die Göttin. Doch da sie ihn selber nicht treffen konnte
— aus Liebe es auch nicht wollte — zürnte sie der, die vorgezogen
vor ihr. Gekränkt, daß verschmäht ihr Verlangen, nimmt und zerreibt
sie sogleich ob schrecklicher Säfte verrufne Kräuter und singt
dazu ein Lied um Hecates Hilfe,
hüllt in den blauen Mantel sich ein und tritt aus des Hauses
Mitte ins Freie hervor durch die Schar der schmeichelnden Tiere,
eilt auf Regium zu, das Zancles Gefels gegenüber aufgebaut
steht,und betritt die kochenden, wallenden Meeres fluten; sie
setzt auf die wie auf festes Land ihre Sohlen, schreitet über
die Spiegel der Wasser, trockenen Fußes.
War ein kleines Gewässer, zum Bogen gerundet sein Ufer, Scylla
willkommen zur Ruh, wohin sie vor Meeres und Himmels Branden
zurückwich, zur Zeit, wenn die heißeste Sonne in Kreises Mitte
stand und vom Scheitel die kürzesten Schatten erzeugte. Dieses
verseuchte die Göttin; mit graueiiwirkenden Giften tränkt sie
es. Hier versprengt sie den schädlichsten Wurzeln entpreßten Saft
und murmelt dreimal aus zauberkundigem Munde neunfach ein dunkles
Lied in seltensten Worten und Sätzen.
Scylla kommt, und hinein bis zur Mitte des Leibes gestiegen,
sieht sie entstellt ihre Weichen von bellenden Greuelgeschöpfen.
Nicht vermutend zunächst, daß die ein Teil ihres eignen Leibes
seien, flieht sie und scheucht sie und fürchtet die frechen Schnauzen
der Hunde; aber sie trägt mit sich selbst, was sie flieht, und als
ihren Körper sie sucht, seine Lenden, Schenkel und Füße, findet
an deren Statt sie die Rachen des höllischen Wächters, steht
der Hunde Wut und hält mit dem Strunk ihrer Weichen unter dem
menschlichen Leib die Rücken der Wilden zusammen.
Glaucus, der Liebende, weinte und floh die Vereinung mit Circe,
weil sie allzu feindlich gebraucht die Kräfte der Kräuter. Scylla
blieb an dem Ort. Und sobald die Macht ihr geboten, hat sie
Ulixes aus Haß auf Circe beraubt der Gefährten. Und sie hätte
dann bald auch versenkt die Schiffe der Troer, wäre sie nicht
zuvor verwandelt worden ins Riff, das steinern heute noch ragt.
Das Riff noch meidet der Seemann.
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