Ehrgeiz, sozialer   Die starrsinnige Taschka wollte nichts von Senkas Geld. Auch von ihrem Gewerbe wollte sie nicht lassen - aus Stolz. Wer nimmt denn Geld von einem Mann, einfach so, ohne was dafür zu tun? Nur ein Liebchen oder eine Ehefrau. Dein Liebchen kann ich nicht werden, denn wir beide sind ja Kameraden. Deine Ehefrau kann ich auch nicht werden, wegen der Franzosenkrankheit (nicht, daß Senka ihr einen Antrag gemacht hätte, das war Taschkas Phantasie). Was ich brauche, verdien ich mir selbst. Und wenns mal nicht reicht, kannst du mir ja aushelfen, als mein Kamerad.

Doch Senkas Erzählungen von seinem neuen vornehmen Leben weckten auch m Taschka Ambitionen, anders gesagt, ihren Ehrgeiz. Sie wollte ebenfalls Karriere machen - vom Straßenmamsellchen aufsteigen zur »Gymnasiastin«, zumal sie gerade im richtigen Alter dafür war.

Die »Gymnasiastinnen« liefen nicht auf der Straße rum, sie bekamen die Freier von einer Kupplerin. Ihre Arbeit war viel leichter und brachte mehr ein als die einer Straßendirne.

Als erstes brauchte man dafür ein Gymnasiastinnenkleid mit Pelerine, aber dafür hatte Taschka schon etwas zurückgelegt.

Eine geeignete Kupplerin kannte sie auch. Eine ehrliche, zuverlässige Person, die nur ein Drittel der Einnahmen verlangte. Und Freier, die Gymnasiastinnen wollten, gab es mehr als genug. Alles solide Männer, im gesetzten Alter und mit Geld.

Es gab nur eine Schwierigkeit, dieselbe wie bei Senka: Ihr fehlte die Bildung für ein kultiviertes Gespräch. Der Freier mußte schließlich glauben, daß er eine echte Gymnasiastin bekam, kein verkleidetes Mamsellchen.  - Boris Akunin, Die Liebhaber des Todes. Berlin 2005

Ehrgeiz

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Aufstieg, sozialerEhre

 

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