herecht  Der Frankenkönig Lothar II. hatte seine Gemahlin Theutberga verstoßen, um seine frühere Geliebte Waldrada zu heiraten. Die Bischöfe spalteten sich in zwei Parteien. Köln und Trier unterstützten Lothar, andere Prälaten hielten den König für »vom Teufel entflammt«. Um die Scheidung zu befördern, bezichtigte Lothar seine Gemahlin der Blutschande mit ihrem Bruder, dem Abt Hucbert von St.Maurice. Dieser Lebemann hatte sich mit einer Verbrecherbande umgeben und mit Raub und Mord die Ländereien seines Klosters vergrößert. Die Einkünfte aus seiner Pfründe verschwendete er für »Huren, Hunde und Jagdfalken«. Die Schwängerung seiner Schwester und eine folgende Abtreibung jedoch schien unvoreingenommenen Gemütern zu unwahrscheinlich. Ein Gottesurteil sprach für Theutberga, denn ihr Vertreter hatte seine Hand unverbrüht aus siedendem Wasser gezogen. Doch für die Königspartei bezeugte der Kölner Erzbischof, Theutberga habe ihm ihre Sünde gebeichtet. Eine Synode in Aachen erzwang von Theutberga das - bald widerrufene - Geständnis: »Mein Bruder hat mich in früher Jugend verführt und mit meinem Körper widernatürliche Unzucht getrieben.« Lothar hatte dem Erzbischof versprochen, seine Nichte zu ehelichen, sie dann allerdings nur genotzüchtigt und zu ihrem Onkel zurückgeschickt, was der Treue des Kirchenfürsten zu seinem König keinen Abbruch tat. Theutberga wurde in Klosterhaft gesteckt, bald jedoch gelang ihr die Flucht an den Hof des Westfrankenkönigs Karls des Kahlen.

Eine weitere Synode erklärte nun die Scheidung für gültig und erlaubte Lothar, seine geliebte Waldrada zu heiraten. Der Papst berief daraufhin eine Reichssynode nach Metz, der zwei von ihm ermächtigte Legaten präsidierten. Lothar bestach die beiden, und die Ehe mit Theutberga wurde abermals für nichtig erklärt. Nikolaus erzürnte sich über diese Vorgänge so sehr, daß er gegen seine Legaten ein Disziplinarverfahren eröffnete und sie auf einer römischen Synode absetzen und exkommunizieren ließ. Die gleiche Strafe traf die Erzbischöfe von Köln und Trier. Diese verdammten ihrerseits den Papst. Sie beschuldigten ihn der Aufgeblasenheit und Vermessenheit, des tyrannischen Wütens und des Wahnwitzes. Der Streit der Parteien nahm kriegerische Ausmaße an. Ein fränkisches Heer marschierte in Rom ein und marodierte wie in Feindesland. Kirchen wurden geplündert, Geistliche mißhandelt, Nonnen vergewaltigt, Reliquien geschändet, darunter das Kreuz Christi, das die hl. Kaiserin Helena in Jerusalem gefunden hatte. Nach ausgiebiger Plünderung und Brandschatzung verließen die kaiserlichen Truppen die wehrlose Stadt.

Nikolaus gab nicht klein bei und proklamierte das folgenreiche Recht auf Widerstand gegen tyrannische Herrscher, exkommunizierte Waldrada und verbot der kleinmütigen, versöhnungsbereiten Theutberga die erbetene Scheidung. An Lothar aber schrieb er: »Weil du deinen leiblichen Trieben nachgabst und die Zügel der Wollust schießen ließest, bist du in einen See von Armseligkeit geraten und liegst nun in einem Haufen Kot.«

Nikolaus konnte seinen Sieg nicht mehr erleben. Während er im Sterben lag, plünderte sein Milizenkommandant die päpstliche Schatzkammer. Der eigentlich verbündete Herzog von Spoleto fiel in Rom ein, raubte Paläste, Kirchen und Klöster aus und zog ungestraft mit reichster Beute und unter Mitnahme römischer Mädchen ab. Lothar starb 869 an einem Fieber, was allgemein als Gottesgericht gedeutet wurde. Theutberga wurde Äbtissin eines Klosters in Metz, Waldrada Nonne in Remiremont an der Mosel. Der Papst wurde von nun an als oberste Autorität in Ehefragen allgemein anerkannt.   - Albert Christian Sellner, Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek 260)

 

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