Und auf einem dieser Spaziergänge, den er nach
einem besonders aufreibenden Tag in der Berufsschule im Regen
machte, kam Wilt zum ersten Mal der Gedanke, dass sich nur dann seine geheime
Hoffnung erfüllen und er sein Leben selber in die Hand nehmen könne, wenn seine
Frau irgendein nicht unbedingt zufälliges Unglück ereile. - Tom Sharpe,
Puppenmord. München 2006 (zuerst 1976)
Sie haben zwar keine Kinder, aber die Formel hatte sie von ihrer Mutter, sie selbst hatte immer nur Fehlgeburten gehabt, wegen ihrer Krankheiten.
Gramigni drehte sich um und stürzte sich auf das Rabenaas. Noch bevor er sie hatte erreichen können, schmiß sie den Olivenpott auf den Boden, der Pott zerbrach, die Oliven flitzten unter die Kisten.
»Hier hast du deine Spezialoliven, du Schleimscheißer. Hier hast du deine Oliven, die du extra für diese Nutten fabrizierst.«
Gramigni setzte seinen Lauf fort, glitt auf einigen Oliven dahin wie auf Rollen und machte auf den Steinfließen einige Luftsprünge. Sein Ehegespons nutzte den Vorteil aus und wuchtete ihm eine Auswahl Konserven auf den Magen. Lange sollte sie jedoch nicht triumphieren, der Paduaner kriegte sie neben dem Gebäck zu fassen und streckte sie mit zwei wuchtigen Schlägen aufs Lästermaul nieder. Dann begann er anständig auf ihr herumzutrampeln.
Eheleben (3) Der Kaufmann hatte einen Hahn, und dieser hatte fünfzig Hennen unter sich; auch hatte er einen Hund. Nun hörte der Kaufmann, wie der Hund den Hahn anschrie und ihn schalt, indem er sagte: ,Du bist so vergnügt, während doch unser Herr sterben soll!' Da fragte der Hahn den Hund: ,Was ist denn das für eine Sache?' Und der Hund erzählte ihm die ganze Geschichte. Da rief der Hahn aus: ,Bei Allah, unser Herr ist doch geringen Verstandes! Siehe, ich habe fünfzig Frauen; mit den einen gehts im Guten, mit den anderen im Bösen. Aber unser Herr hat nur eine einzige Frau und kann mit ihr seine Sache nicht regieren! Warum nimmt er denn nicht für sie ein paar Zweige vom Maulbeerbaum, geht mit ihr in seine Schatzkammer und schlägt sie, bis sie entweder tot ist oder bereut und ihn nie wieder nach etwas fragt!'- (
1001
)
Eheleben (4) Verlobt war Claudius in sehr jungen Jahren zweimal: mit Ämilia Lepida, einer Urenkelin des Augustus, und mit Livia Medullina, die auch Camilla mit Zunamen hieß und aus dem alten Geschlecht des Diktators Camillus stammte.
Die erste verstieß er noch als Jungfrau, weil ihre Eltern Augustus beleidigt
hatten. Die zweite verlor er an dem für die Hochzeit festgesetzten Tag durch
Krankheit. Er heiratete Plautia Urgulanilla, deren Vater die Triumphalabzeichen
erhalten, und bald darauf Älia Patina, deren Vater Konsul gewesen war; von beiden
schied er sich wieder, von Plautia wegen unbedeutender Ärgernisse, von Urgulanilla
dagegen wegen ihres ausschweifenden Lebenswandels und wegen Mordverdachts. Nach
ihnen vermählte er sich mit der Tochter seines Vetters Barbatus Messala, Valeria
Messalina. Sie ließ er hinrichten. Denn er hatte erfahren, daß sie neben anderen
Schandtaten sich sogar in aller Form mit Gajus Silius unter Aufnahme eines ordnungsgemäß
von den Auguren vollzogenen Ehekontrakts über Aussteuer und Heiratsgut vermählt
hatte. Zugleich erklärte er in einer Versammlung vor seinen Prätorianern: "Weil
ich mit meinen Ehen kein Glück habe, will ich fortan unvermählt bleiben, und
wenn ich es nicht bleibe, habe ich nichts dagegen, von Eurer Hand erstochen
zu werden." Er war aber doch nicht imstande, es durchzuführen, sondern
trat sofort wieder in Unterhandlungen zu einer neuen Ehe, sogar mit der früher
von ihm verstoßenen Patina und mit Lollia Paulina, der früheren Gattin des Kaisers
Gaius Caligula. Allein die Verführungen Agrippinas,
der Tochter seines Bruders Germanicus, die ihre nahe Verwandtschaft zu ihm zu
Liebkosungen und Zärtlichkeiten zu benutzen wußte, reizten seine Sinnlichkeit
derart, daß er einige Senatoren anstiftete, in der nächsten Senatssitzung den
Antrag zu stellen, man müsse Claudius zwingen, zum Wohl des Staates Agrippina
zu heiraten, und zugleich überhaupt solche Verbindungen, die bisher als Blutschande
gegolten hatten, für allgemein erlaubt erklären. Kaum war ein Tag nach jener
Erklärung verstrichen, so vollzog Claudius die Heirat, doch fand sich niemand,
der seinem Beispiel gefolgt wäre.
- (
sue
)
Eheleben (5) Anfang September, als der Bankauszug kam, stellte Vic fest, daß über hundert Dollar mehr als sonst abgehoben worden waren; von Melinda, selbstverständlich. Ein Barscheck über den Betrag von 125 Dollar fiel ihm besonders auf; er enthielt keine Adresse. Er versuchte sich zu erinnern, ob sie Kleidung oder etwas fürs Haus gekauft hatte, aber es fiel ihm nicht ein. Normalerweise wäre ihm eine Mehrentnahme von hundert Dollar im monatlichen Budget wahrscheinlich entgangen, aber weil er jetzt Melinda in jeder Beziehung so aufmerksam beobachtete, hatte er den Bankauszug sorgfältiger als sonst durchgesehen. Der Scheck über 125 Dollar trug das Datum vom 20. August; das war eine Woche nach De Lisles Begräbnis gewesen (zu dem Melinda nach New York gefahren war), und Vic konnte sich nicht vorstellen, daß der Betrag etwa für Blumen oder für etwas Derartiges bestimmt gewesen war.
Es war immerhin denkbar, daß sie einen Privatdetektiv engagiert hatte, und
Vic begann, sich in Little Wesley nach einem neuen Gesicht umzusehen, nach einem
unbekannten Gesicht, das vielleicht ein besonderes Interesse für ihn verriete.
- Patricia Highsmith, Tiefe Wasser. Zürich 1976 (zuerst 1957)
Eheleben (6) Mein Mann und ich gingen durch einen
Wald, kamen an einem eingezäunten Abgrund vorbei. Wir kamen ins Gruseln,
in diesem Abgrund hielten sich Löwen
auf. Link schimpfte und sagte: "Ich werfe dich gleich hier hinunter!" Schon
lag ich tief unten. Die Löwen stürzten sich auf mich los, aber ich streichelte
und liebkoste die Tiere, gab auch meine Stullen zu fressen. Diese Tiere taten
mir nichts. Kletterte den Abhang beim Füttern herauf und sprang dann über den
Zaun. Link aber sagte wütend: "Du Aas krepierst nicht."
Hier war eine Tür, die nur angelehnt war. Ich gab Link
einen Stoß, der stürzte hinunter. Die Löwen haben ihn zerrissen, und er lag
dort in einer großen Blutlache. - (
je
)
Eheleben (7) Harry betrachtete seinen Sohn, der
auf dem Tisch lag und mit einer Windel spielte. Er bedeckte seinen Kopf damit
und lachte. Harry sah einige Augenblicke zu, wie er mit der Windel hin und her
wedelte. Er sah auf den Penis seines Sohnes. Er starrte ihn an und berührte
ihn. Er fragte sich, ob ein Kind von 8 Monaten dort wohl etwas Besonderes empfinden
könne. Vielleicht empfand es überall dasselbe, ganz gleich, wo man es berührte.
Wenn er Wasser lassen mußte, wurde er manchmal steif, doch das hatte wohl nichts
zu bedeuten. Seine Hand lag immer noch auf dem Penis seines Sohnes, als er seine
Frau hereinkommen hörte. Er zog die Hand fort und trat einen Schritt zurück.
Mary nahm dem Kind die saubere Windel aus der Hand und küßte es auf den Bauch.
Harry sah zu, wie sie ihre Wange am Bauch des Kindes rieb, wobei ihr Hals gelegentlich
den Penis streifte. Es sah aus, als würde sie ihn gleich in den Mund nehmen.
Er wandte sich ab. Sein Magen zog sich zusammen und er empfand leichte Übelkeit.
Er ging ins Wohnzimmer. Mary zog das Kind an und legte es in sein Bettchen.
Harry hörte, wie sie am Bettchen herumrückte. Er hörte das Kind an seiner Flasche
saugen. Harrys Muskeln und Nerven verkrampften sich und vibrierten. Am liebsten
hätte er diese Geräusche zu einem Klumpen geballt und ihn ihr hinten reingeschoben,
hätte das gottverdammte Balg gepackt und es ihr in die Möse
zurückgestopft. - Hubert Selby, Letzte Ausfahrt
Brooklyn. Reinbek bei Hamburg. 1989 (zuerst 1957)
Eheleben (8) In einem alten Schloß wohnt ein Prinz,
ein mordsmäßiger Trinker. Die Frau dieses Prinzen dagegen trinkt nicht einmal
Tee, nur Wasser und Milch. Ihr Mann aber trinkt Wodka und Wein, Milch nicht.
Dabei trinkt sie eigentlich auch Wodka, nur daß sie es verheimlicht. Ihr Mann
aber ist ein frecher Hund und verheimlicht es nicht. »Ich trinke keine Milch,
ich trinke Wodka!« sagt er bei jeder Gelegenheit. Sie jedoch zieht in aller
Stille das Fläschchen unter der Schürze hervor, und gluck!, nun ja - trinkt.
Ihr Mann, der Prinz, sagt: »Du könntest mir was abgeben.« Seine Frau, die Prinzessin,
sagt: »Nein, ich habe selbst nicht genug. Kriä!« - »Ach du -Ampe!« sagt der
Prinz. Und mit diesen Worten, batsch, haut er seine Frau auf den Fußboden. Seine
Frau liegt auf dem Fußboden und weint, den ganzen Rüssel hat sie sich aufgeschlagen.
Der Prinz aber hüllt sich in seinen Umhang und begibt sich auf seinen Turm.
Dort hat er Käfige aufgestellt. Er züchtet dort Hühner, müssen Sie wissen. Der
Prinz kommt also auf den Turm, dort spektakeln die Hühner, wollen Futter. Ein
Huhn fängt sogar an zu wiehern. »Na warte, du«, sagt der Prinz, »Chante-clair!
Halt den Rand, sonst kriegst du was in die Zähne!« Das Huhn versteht aber keine
Wörter und wiehert weiter. Und das Ende vom Lied - das Huhn spektakelt auf dem
Turm, der Prinz flucht auf Teufel komm raus, und seine Frau unten liegt auf
dem Fußboden, kurz, das reinste Sodom. - (
charms
)
Eheleben (9) In seiner Zeit des Wohlstands heiratete er seine dritte Frau. (Die erste und die zweite, von denen man allerdings nicht weiß, ob sie ihm wirklich angetraut waren, lebten damals noch.) Sie hieß Elizabeth Man und war, obwohl ein ehemaliges Straßenmädchen, eine sehr vernünftige und sympathische Person. Hier ist ihre kurze Geschichte: Jonathan liebte sie mehr als alle seine anderen Frauen und lebte in aller Öffentlichkeit mit ihr zusammen, was er mit jenen nicht getan hatte. Die beiden hatten keine Kinder. Sie bereute, wie er selbst erklärt hat, ihr früheres Leben aufrichtig und war ihm eine vortreffliche Ehefrau. Von den Sünden ihrer bösen Vergangenheit reinigte sie sich, indem sie eine vollständige Beichte ablegte und Buße tat. Sie hatte sich zum Katholizismus bekehren lassen, und nachdem ihr Beichtvater ihr Absolution erteilt hatte, führte sie einige Jahre lang ein sehr anständiges Leben. Dann starb sie und wurde in St. Pancras-in-the Fields beerdigt. Die Frömmigkeit und Tugend seiner Frau beeindruckten Jonathan so nachhaltig, daß er sie zeit seines Lebens nicht vergaß. Er verfügte, man solle ihn neben ihr begraben, und als es so weit war, erfüllten ihm seine Freunde gegen zwei Uhr morgens diesen Wunsch.
Nach ihrem Tod hatte er zwei weitere sogenannte Ehefrauen, aber so viel ich weiß, wohnte er nicht, oder zum mindesten nicht lange, mit ihnen zusammen. Die eine, Sarah Parrin, alias Gregstone, soll noch am Leben sein, von der anderen, Judith Nun, hatte er eine Tochter, die jetzt etwa zehn lahre alt ist. Die Mutter lebt ebenfalls noch.
Diesen fünf Frauen ließ er eine sechste folgen, die er vor ungefähr sieben
Jahren heiratete und mit der er bis zu seiner Hinrichtung
zusammenlebte. Ihr Mädchenname war Mary Brown, aber als er sie zur Frau nahm,
hieß sie Mary Dean und war die Witwe von Skull Dean, einem Zunftgenossen, der
1716 oder 1717 wegen Einbruchsdiebstahls hingerichtet worden war. Einige Leute
haben Jonathan bezichtigt, zur Verurteilung ihres ersten Ehemannes beigetragen
zu haben, um ihr ungehindert den Hof machen zu können. - Daniel Defoe, Jonathan
Wild. In: D.D., Romane in zwei Bänden. München
1968 (zuerst 1725)
Eheleben (10)
- George Grosz und seine Frau Eva, nach: Hanne Bergius,
Das Lachen Dadas. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Gießen 1989
Eheleben (11) Da waren Clausen und seine
Frau Lena. Sie kamen gemeinsam, als er sich um den Posten bewarb.
Lena hatte ein Baby auf dem Arm, und er hielt zwei Kleine an der Hand. Sie waren
von einem Wohlfahrtsbüro zu mir geschickt worden. Ich stellte ihn als Nachtboten
ein, damit er ein festes Gehalt bekam. Nach ein paar Tagen bekam ich einen Brief
von ihm, einen verrückten Brief, in dem er mich bat, sein Fernbleiben zu entschuldigen,
da er sich bei dem vom Gefängnis bestellten Vormund hätte melden müssen. Dann
kam ein anderer Brief, in dem es hieß, seine Frau weigere sich, mit ihm zu schlafen,
da sie keine Kinder mehr haben wolle, und ob ich nicht bitte kommen möge, um
sie zu überreden, wieder mit ihm zu schlafen. Ich ging zu seiner Behausung,
einem Kellerloch im italienischen Viertel. Es glich einem Wanzennest. Lena war
wieder etwa im siebten Monat schwanger und halb wahnsinnig. Sie stieg jetzt
zum Schlafen aufs Dach, weil es im Keller zu heiß war und auch weil sie nicht
mehr von ihm belästigt werden wollte. Als ich ihr sagte, das würde in ihrem
Zustand ja nun nichts mehr ausmachen, sah sie mich nur grinsend an. Clausen
war im Krieg gewesen; vielleicht hatte das Gas ihn ein wenig schwachsinnig gemacht
- jedenfalls stand ihm der Schaum vorm Mund. Er erklärte, er würde ihr den Schädel
einschlagen, wenn sie nicht von diesem Dach herunterkäme. Er deutete an, daß
sie nur dort oben schlief, um es mit dem in der Dachstube wohnenden Kohlenträger
treiben zu können. Daraufhin lächelte Lena wieder mit ihrem freudlosen, froschartigen
Grinsen. Clausen verlor die Geduld und versetzte ihr rasch einen Tritt in den
Hintern. Sie ging beleidigt hinaus und nahm die Bälger mit. Er rief ihr nach,
sie solle nur ganz wegbleiben. Dann öffnete er eine Schublade und zog einen
großen Colt heraus. Er bewahre ihn auf für den Fall, daß er ihn eines Tages
brauche, sagte er. Er zeigte mir auch ein paar Messer und eine Art Totschläger,
den er selbst angefertigt hatte. Dann begann er zu weinen. Er sagte, seine Frau
halte ihn zum Narren, er habe es satt, für sie zu arbeiten, weil sie mit jedem
in der Nachbarschaft schlafe. Die Kinder seien nicht von ihm, denn er könne
kein Kind mehr zeugen, auch wenn er wolle. Bereits am nächsten Tag, während
Lena zum Einkaufen gegangen war, schleppte er die Kinder aufs Dach hinauf und
schlug ihnen mit dem Totschläger, den er mir gezeigt hatte, den Schädel ein.
Dann sprang er kopfüber vom Dach hinunter. - (wendek)
Eheleben (12)
- Bonnie Raitt & John Prine: Angel from Montgomery (John Prine),
aus: The Bonnie Raitt Collection (Warner Brothers 1990)
Eheleben (13)
- N.N.
Eheleben (14)
Eheleben (15)
Strategie Und so ist es immer-dar dasselbe - Mit dem Streichholz steh ich - dem entflammten »Leo !« ruf ich - Schlange mir am Herde - Sieh - rasch folgend dem bekannten Mahnen - Steckt den Ring zurück er an den Finger - »Leo !« ruf ich - greuliche Kanaille! Schillernd Band beginnt er aufzuzupfen - Stumm - zur willenlosen Marionette »Hu ! Die Männer! Pah ! Ihr alle ! Süße Heuchelei des Weibes - Liebe - Du bist frech - du hast mich hingeschmissen! »Darling !« sag ich - »Bully!« sagt er - Und so ist es immer dar dasselbe |
- Mein
Mund ist lüstern - I got lusting palate. Dada-Verse von Elsa von Freytag-Loringhoven.
Hg.und Übs. Irene Gammel.
Berlin 2005
Eheleben (16) Frühjahr 1901: Elsa Plötz nimmt August Endells Heiratsantrag an, weist ihn aber darauf hin, dass sie keine hausfraulichen Tätigkeiten übernehmen werde.
Juni 1901: Die beiden ziehen nach Berlin-Zehlendorf.
22. August 1901: Elsa Plötz und August Endell heiraten in Berlin.
Elsa ist unzufrieden, weil ihr Mann sie offenbar sexuell nicht befriedigen
kann, täglich vierzehn Stunden arbeitet und dennoch finanzielle Sorgen hat.
-
Dieter Wunderlich
Eheleben (18)
Eheleben (19) Seine Frau hatte ihm elf Jahre lang
gleichgültig gerade in die Augen geschaut und war schließlich davongelaufen.
- Jerome Charyn, nach: Jean Patrick Manchette, Chroniques. Essays zum Roman
noir. Heilbronn 2005
Eheleben (20) Zur Xanthippe
sagte er, als sie erst sich in Schmähungen gegen ihn erging und ihn dann sogar
mit schmutzigem Wasser übergoß: "Sagte ich nicht, daß Xanthippe, wenn sie donnert,
dann auch Regen bringt ?" Und als Alkibiades
äußerte: "Unausstehlich ist doch die keifende Xanthippe,"
da entspann sich folgendes kleine Wortgefecht : "Aber ich bin doch längst daran
gewöhnt, geradeso wie man sich an das unaufhörliche Geräusch einer Rolle gewöhnt;
und auch du läßt dir doch das Geschrei der Gänse gefallen."
-"Dafür bringen sie mir auch Eier und Junge." - "Auch ich habe von Xanthippe
Kinder bekommen." - (diol)
Eheleben (21) In Rom sanktionierte das Ehepaar,
vom ersten Einrichtungstage an, den fundamentalen Zwiespalt der beiderseitigen
Interessen: Veronica teilte ihre Zeit zwischen Haushalt und Andacht, während
Anthimos ganz in wissenschaftlicher Forschung aufging. So lebten sie nebeneinander
oder vielmehr gegeneinander und ertrugen sich, indem sie sich den Rücken wandten.
Es herrschte unter ihnen eine relative Eintracht, eine Art Pseudo-Wohlbehagen,
ein Similiglück, indem jeder Teilnehmer im geduldigen Beiseitestehen des anderen
heimliche Freiheit für die eigene Tüchtigkeit fand. -
André Gide, Die Verliese des Vatikan. München 1975 (dtv 1106, zuerst 1914)
Eheleben (22) In einer außerordentlich interessanten Untersuchung, die man vor kurzem in Westeuropa durchgeführt hat, traten folgende Tatsachen zutage: Wenn verheiratete Frauen eine Affäre eingehen, dann entscheiden sie sich für dominante Männer, die älter und verheiratet sind, gut aussehen und ein symmetrisches Erscheinungsbild haben. Frauen haben mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit dann eine Affäre, wenn ihre Partner eher fügsam und jünger als sie selbst sind, nicht besonders gut aussehen und ihr Erscheinungsbild in irgendeiner Form asymmetrisch ist Eine kosmetische Operation, die das Aussehen eines Mannes verbessert, erhöht seine Chance für einen Seitensprung um hundert Prozent. Je attraktiver ein Mann, um so weniger aufmerksam ist er als Vater. Nahezu jedes dritte Kind, das in Westeuropa geboren wird, stammt aus einer außerehelichen Beziehung.
Wenn diese Fakten Sie erschüttern oder wenn Sie sich weigern, sie zu glauben
- fassen Sie sich. Diese Studie wurde nicht an Menschen unternommen. Sie bezieht
sich auf Schwalben. - Matt Ridley, Eros und
Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München 1995
Eheleben (23) Er ging in das Zimmer nebenan; Mafia bückte sich, zog einen Kniestrumpf aus. Studentinnenmode, dachte er. Er schlug ihr fest auf den Hintern; sie stellte sich auf, drehte sich um, und er schlug ihr ins Gesicht. »Nicht«, sagte sie.
»Mal was Neues«, sagte Winsome. »Zur Abwechslung.« Eine Hand zwischen ihren Beinen, die andere in ihr Haar verhakt, hob er sie hoch, wie ein Opfer, das sie nicht war, trug, stieß sie zum Bett - ein Durcheinander von weißer Haut, schwarzem Schamhaar, schwarzen Socken. Er machte den Hosenlatz auf. »Hast du nichts vergessen?« fragte sie, schüchtern, erschreckt, ihre Haare zur Kommode hin wegstreichend.
»Nein«, sagte Winsome, »ich wüßte nicht, was.« -
(v)
Eheleben (24) Mit welchem Geschick wir einander
Liebe vorenthalten. Überhaupt kein Trick ist dabei: die Bewegung einer über
ein niedriges Hindernis springenden Katze. Du hast -käme die Wahrheit an den
Tag - nur einen Mann geliebt, und das war vor meiner Zeit. Über ihn hinaus hast
du nie gedacht noch zu denken gewünscht. In seinen Vollkommenheiten bist du
vollkommen. Gleichermaßen vollkommen bist du in anderen Dingen. Du präsentierst
mir die Oberfläche eines Marmors. Und ich, werden wir sagen, liebte gleichfalls
vor deiner Zeit. Drück es ruhig schlüpfrig aus. Und ich habe meine Vollkommenheiten.
So präsentieren wir uns einander nackt. Was haben wir erreicht? Sagen wir, wir
sind zusammen ein wenig älter geworden, und du hast Kinder geboren. Wir haben
uns, kurz gesagt, so entwickelt, wie der Gang der Welt nun einmal ist. Wir haben
uns als fruchtbar erwiesen. Die Kinder sind augenscheinlich gesund. Eines von
ihnen ist schrullig, und eines hat ein ungewöhnliches Gedächtnis und ein scharfes
Auge. Aber -es ist nicht so, daß wir nicht ein gewisses Poltern, eine gewisse
Erregung der Erde gefühlt hätten, aber auf was ist es hinausgelaufen? Deine
erste Liebe und die meine waren von verschiedener Art. Es gibt da nur einen
Weg hinaus. Er besteht für mich darin, meinen Korb Worte aufzuheben, und für
dich, am Klavier zu sitzen, jeder auf seine Weise, bis ich, sollte mir auf meinem
Weg das Glück winken, bei einem Handel ein günstiges Geschäft gemacht und so
kraft heftiger Anstrengung den Glanz des alten Beherrschers in deinem Gedächtnis
ausgelöscht habe. Was unmöglich ist. Ergo: ich bin ein Lump.
- (kore)
Eheleben (25) Holmes
nahm die Zeitung und überflog sie. »Hier haben wir die Dundas-Scheidung,
an deren Aufklärung ich zufällig beteiligt war. Paß auf: der Mann ist Abstinenzler,
eine andere Frau war nicht im Spiel, und was ließ er sich zuschulden kommen?
- Nach jeder Mahlzeit nahm er sein Gebiß heraus
und warf es seiner Frau an den Kopf.« - Sir Arthur Conan Doyle,
Der verschwundene Bräutigam. Berlin, Frankfurt am Main 1987
Eheleben (26) Auf der Couch an der Wand lag Mrs.
Benedict, die Kleider verrutscht, einen Strumpf zerrissen, mit nur einem Schuh,
der andere war zu Boden gefallen. Mrs. Benedict war tot. Offenbar war sie erdrosselt
worden, denn -das Gesicht war gedunsen und verfärbt, und um den Hals lief eine
rote Spur. Und in der Mitte des Zimmers stand Roger Bewlay, schwer atmend zwar,
doch sonst nicht weiter aus der Fassung gebracht, denn er zündete sich eine
Zigarette an. - Carter Dickson, Die verschwundenen Gattinnen. München
1970
Eheleben (27)
Eheleben (28) Es mag den Anschein haben, als verhielte
unser Mr. Wooly, diese Stütze der Gesellschaft, sich außerordentlich exzentrisch
- mal glühendheiß, mal eisigkalt -, wenn er an seine junge Frau dachte und dabei
gleichzeitig bestimmte Eigenschaften und gewisse Bereiche ihrer Persönlichkeit
einfach nicht zur Kenntnis nahm und es sogar schaffte, ganze Ereignisse völlig
zu vergessen, wie ihren Kopfsprung vom Balkon und ihren unversengten Zustand
nach dem Brand im Hotel Monroe. Aber in Wirklichkeit benahm er sich dabei ganz
genauso wie viele andere Ehemänner - wie die meisten
von ihnen. Sie heiraten irgendein gutgetarntes Monster
und sitzen dann da - mit dem Ungeheuer verheiratet. Also tun sie ihr Bestes,
nur nicht zuviel von ihrer Frau zu erfahren, während sie ihrerseits nach besten
Kräften bestrebt ist, das Schlimmste so grell aufleuchten zu lassen wie Neonschilder
auf einer Landstraße. Ja, Mr. Wooly lief es kalt über den Rücken, mitten im
Bett. In seinem eigenen Bett. -
Thorne Smith, Meine Frau, die Hexe. Frankfurt am Main 1989 (Fischer-Tb., Bibliothek
der phantastischen Abenteuer, zuerst 1941)
Eheleben (29) Über mir wurde andauernd Klavier
gespielt, was meine Situation noch belastender machte, und idi wußte mir nur
noch mit Zorn zu helfen: Die soll sich einen Freund zum Bumsen nehmen, dann
hört sich das mit dem Klavier schon auf. Da hast du immer einen verschwitzten
Arsch über dir, von dem die Hände Klavier spielen. Wie ich das hasse, das ganze
bürgerliche Unterhaltungsgetue! Im Wohnzimmer hatte ich eine Frau sitzen, die
brütete vor sich hin, als kriegte sie heute noch ein Kind. Irgendwo, ich weiß
nicht mehr, habe ich es geträumt oder war es in der Öde, sah ich sie zuletzt
mit gespreizten Beinen liegen. Ich tat ihr die Schenkel zusammen und ging. Ich
wollte den Rest des Sonntags vorm Fernseher verbringen, aber weil sie schon
da war und andauernd geräuschvoll Rotz in die Nase hochzog wie ein Kind, wurde
ich geschafft. Ich nahm mir eine Flasche Sherry. Als das wieder ihre Nase hinaufheulte,
zerdrückte ich das Trinkglas in der Hand. Seit ich verheiratet war, brauchte
ich nicht mehr zu arbeiten, denn meine Frau verdiente das Geld. Wenn sie in
der Nähe war, fühlte ich mich von der Welt betrogen. Da es keine Kinder gab,
verstand ich nicht, daß ich sie nicht verließ. Schließlich hatte ich sie meiner
Mutter zum Trotz geheiratet, weil sie das als eine Wahnsinnstat abtat. Dasselbe
ungepflegte Haar der beiden und das Hineinsehen m sich selbst, wo nichts war
als das Vernachlässigen des Haushalts. Ha, ich bestrafte meine Frau gern dafür,
daß ich von ihr abhängig war. - Herbert Achternbusch, Die Stunde des
Todes. Frankfurt am Main 1975
Eheleben (30) Vatter Ubu (zum Diener): Fort mit dir, du Saukerl. (zu Achras) Sie muß ich sprechen, mein Herr. Ich wünsche Ihnen tausendfach Glück und möchte von Ihrer Güte einen Freundschaftsdienst erbetteln.
Achras: Alles, bitte scheen, nicht wahr, was man von einem alten Gelehrten erwarten darf, der...
Vatter Ubu: Herr, wir haben erfahren, daß Frau Ubu, unsere tugendsame Gattin, uns schändlich betrügt. Nicht etwa, daß wir so wenig Freund der bestehenden Ordnung wären, um Hörner gar zu befürworten, ohne die die Ehe nicht einmal vorstellbar wäre und ohne die eine Ehe sozusagen gar keine Gültigkeit hat - wobei das Sakrament der Hörner unserer Ansicht nach Kirche und Standesamt ersetzen kann; doch machte uns das Individuum, das sie uns verpaßt hat, gleichzeitig durch die Vaterschaft an einem Archaeopteryx lächerlich!
Achras: Verzeihung, ich sehe noch nicht recht, nicht wahr, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Das kapier ich nicht.
Vatter Ubu: Bey unsrer grünen Kerze, wir haben beschlossen, durchzugreifen.
Da wir das Werk unserer Gerechtigkeit nicht verfehlen möchten, wären
wir entzückt, wenn ein ehrenwerter Mann den Pfahl
vorher ausprobierte, ob er auch gut funktioniert. - Alfred Jarry, Ubu Hahnrei oder Der Archaeopteryx. In: A. J. Ubu. Stücke
und Schriften. Frankfurt am Main 1987 (2. Fassung 1897)
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