Ehekitt   Aber Krieg, Lena, wieso Krieg? Das ist einfach eine eheliche Rollenausbildung. Ehen, in denen diese Rollen ausgebildet sind, sind praktisch unzerstörbar. Elissa hat, kraß gesagt, den andauernden Feindseligkeitstext; Rainer hat die unendliche Tolwranzrolle; ihm macht es Spaß, geplagt, vielleicht sogar gequält zu werden, und zwar von keinem Menschen als von Elissa. Jeden anderen, der ihm so käme, brächte er um. Von ihr genießt er es. Natürlich leidet er. Natürlich ist es auch furchtbar für ihn. Aber für ihn ist das Leiden nicht furchtbarer als für sie das Tun. Das weiß er. Das tröstet nicht nur, das ermöglicht überhaupt den Genuß, das Spiel, den Raum, die Ehe. Wenn es nicht zu solchen Rollen kommt, dann ist die Ehe schnell vorbei. Zwei Jahre oder fünf, aus.
Er war schon drauf und dran zu sagen: zwei Jahre oder drei. Aber dann hätte man nicht mehr von Elissa und Rainer, sondern von Lena und Traugott gesprochen. Das wollte er, wo Lena jetzt so aufgeweckt war, vermeiden. Wenn die Rollen einmal sitzen, wird jeder Streit zum Kitt! Er geriet ins Schwärmen: Alles was eine Ehe gefährdet, festigt sie. Wenn einer in einer Ehe merkt, daß er in Gefahr ist abzudriften, produziert das in ihm Haftkraft. Je größer die Belastung, desto größer die Haftkraft. Das eine eine Funktion des anderen. Halm dachte: Jawohl, Herr Kiderlen, das sage ich auf einer glückseligen Fahrt am abendlich glänzenden Pazifik entlang. Daß die zwei Rollen, die eine Ehe ausmachen, gern eine qualvolle Komödie ergeben, weiß man ja. Das Qualvolle ist genau das, was auch das Komödienhafte ist: daß man nicht auseinander kann!  - Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987

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