hefrau
Zur Zeit des Herzogs Johann Casimir von Coburg wohnte dessen Stallmeister
zuerst in der Spitalgasse, hierauf in dem Hause, welches nach ihm D. Frommann
bezogen, dann in dem großen Hause bei der Vorstadt, die Rosenau genannt, endlich
im Schloß, darüber er Schloßhauptmann war. Zu so vielfachem Wechsel zwang ihn
ein Gespenst, welches seiner noch lebenden Ehefrau
völlig gleichsah, also daß er, wenn er in die neue Wohnung kam und am Tisch
saß, bisweilen darüber zweifelte, welches seine rechte leibhafte Frau wäre,
denn es folgte ihm, wenn er gleich aus dem Hause zog, doch allenthalben nach.
Als ihm eben seine Frau vorschlug, in die Wohnung, die hernach jener Doktor
innehatte, zu ziehen, dem Gespenst auszuweichen, hüb es an mit lauter Stimme
zu reden und sprach:
"Du ziehest gleich hin, wo du willst, so ziehe
ich dir nach, wenn auch durch die ganze Welt." Und das waren keine bloßen
Drohworte, denn nachdem der Stallmeister ausgezogen war, ist die Türe des Hinterhauses
wie mit übermäßiger Gewalt zugeschlagen worden, und von der Zeit an hat sich
das Gespenst nie wieder in dem verlassenen Hause sehen lassen, sondern ist in
dem neubezogenen wieder erschienen.
Wie die Edelfrau Kleidung anlegte, in derselben ist auch das Gespenst erschienen,
es mochte ein Feierkleid oder ein alltägliches sein und welche Farbe, als es
nur wollte; weswegen sie niemals allein in ihren Hausgeschäften, sondern von
jemand begleitet ging. Gemeinlich ist es in der Mittagszeit zwischen elf und
zwölf Uhr erschienen. Wenn ein Geistlicher da war, so kam es nicht zum Vorschein.
Als einmal der Beichtvater Johann Prüscher eingeladen war und ihn beim Abschied
der Edelmann mit seiner Frau und seiner Schwester an die Treppe geleitete,
stieg es von unten die Treppe hinauf und faßte durch ein hölzernes Gitter des
Fräuleins Schürz und verschwand, als dieses zu schreien anfing. Einsmals ist
es auf der Küchenschwelle mit dem Arm gelegen, und als die Köchin gefragt: „Was
willst du?" hat es geantwortet: „Deine Frau will ich." Sonst hat es
der Edelfrau keinen Schaden zugefügt. Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester,
ist es gefährlich gewesen und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht
gegeben, daß die Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren
mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren, und es ist ruhig im Hause geworden.
- (
sag
)
Ehefrau (2) Der Hausherr wandte sich nach rechts und drückte auf den Knopf, durch den er das elektrische Licht einschaltete. Hell flammte es auf, es erfüllte den ganzen Raum mit seinem Schimmer.
Samuel Janson aber stand unmittelbar neben der Tür wie angewurzelt. Namenloses Entsetzen malte sich in seinen schneeweißen, versteinerten Zügen. Die Hände hatte er wie abwehrend ausgestreckt, und ein dumpfes Stöhnen kam über seine bleich gewordenen Lippen.
Er sah jetzt, daß die dumpfe Ahnung von etwas Unheilvollem, die ihn beseelt hatte, hier in fürchterlicher Weise ihre Bestätigung fand.
Drüben stand das Bett seiner Gattin. Mistreß Sara Janson aber lag nicht darin, sie hing vielmehr mit dem Oberkörper halb heraus. Ein einziger Blick auf das starre Gesicht mit den verglasten Augen zeigte, daß sie eine Leiche war.
Mistreß Sara Janson war tot. Ein mit sicherer Hand geführter Dolchstoß hatte ihr Herz durchbohrt, und das warme, rote Blut war herabgesickert, hatte die Bettdecke durchtränkt und bildete auf dem Teppich vor dem Bett eine Lache.
Die Hände der Unglücklichen waren ineinander verkrampft, ihr Todeskampf war
jedenfalls nur sehr kurz gewesen. In dem Moment, als sie den tödlichen Stich
empfing, war sie emporgeschnellt, um dann sofort wieder zurückzusinken und dabei
halb aus dem Bett herauszugleiten. - Nat Pinkerton: Vom Lebemann zum
Verbrecher. Aus:
Die großen
Detektiv
e,
Bd. 2. Hg. Werner Berthel, Frankfurt am Main 1980, it 368)
Ehefrau (3) Ich öffne zuweilen das Depot der Ehefrauen:
dieser schweigende Wirrwarr von Gesichtern, die ich ununterbrochen zeichne und
wieder lösche; ich erfinde eine Begleiterin für nächtliche Spaziergänge, eine
Mutter von Kindern, die ich zu verlieren fürchte, eine treulose, geheime Frau.
Ein Durcheinander von Mündern, Genitalien, Speichel und Fingernägeln. Ich stoße
in meinem Scheinhaus auf Reste von Haaren, Fußabdrücke, die auf einen Schritt
warten, einen nichtexistenten Finger, der, den Staub prüfend, über einen Tisch
fährt. Einsame Abendmahle, einem Stuhl gegenüber, dessen Leere nicht weniger
scheinhaft ist als der Körper, den ich daraufsetze. Im Vorzimmer hängen Hände
und Silbengirlanden an der Wand: ich reiche den Arm zu einer Geste des Begleitens
und stelle mir die bewundernde Verbeugung der Höflinge vor. Bisweilen töte ich
einen. - Giorgio Manganelli, An künftige Götter. Sechs Geschichten.
Berlin 1983 (Wagenbach Quartheft 123, zuerst 1972)
Ehefrau (4) Eine reiche Ehefrau war eben dabei,
sich herauszustaffieren. Sie legte lange Streifen voller Quecksilbersublimats
auf ihre von Sommersprossen getüpfelten Runzeln. Sie tünchte die welke Gesichtshaut
wie die Tür einer Metbude. Mit Dampf beizte sie die Augenbrauen wie Räucherwürste.
Der Totenfarbe ihrer Lippen half sie mit Laternenmunition auf: mit wächserner
Schminke. Die Wangen ließ sie in falscher Scham erglühen: mit Quentchen aus
den Farbnäpfen. Als Ratgeberin für die Töpfe stand ihr eine Duena bei, ein mit
Schminke überfa'rbter Totenschädel. Sie ging in die Knie, so hoch waren ihre
Absätze; in den Händen hatte sie einen riesigen Haarwulst, an der Seite ein
Zöfchen, das in Farbtöpfen praktizierte und Unterfutter, groß wie ein Sattelbausch,
bereithielt, damit die Herrin sich damit die Höhlungen ausstopfe, die unter
zwei Buckeln lagen und ihre Figur zerstörten. Als nun besagte Dame so dastand
und ihren Spiegel mit Abscheu und Ekel erfüllte - schlug ihre Stunde, sie fuchtelte
mit den Armen, schüttete das Quecksilbersublimat in ihr Haar; der Dampf kam
in die Zähne, die Schminke in die Brauen, die Farbe ganz über die Wangen; sie
hieb sich den Haarwulst auf die Backen, stopfte den Sattelbausch an die verkehrte
Stelle, und war Weißhaar und Kohlenstaub und bemalt und gefärbelt; die Locken
kräuselten sich zum Bart, sie wurde zur Distel und viergebuckelt, ein Schreckgespenst,
das Schwein des heiligen Antonius. Die Duena glaubte, sie wäre verrückt geworden
und lief mit den Schleppgewändern in der Hand davon. Die Zofe wurde fast ohnmächtig,
als sei ihr der Teufel erschienen. Sie rannte der Duena nach, schrie höllisch
und quoll von Gesichten über. Beim Lärm lief der Gatte herbei, und da er seine
Frau sah, glaubte er, böse Geister seien in sie gefahren, und rannte schnurstracks
nach einem Teufelsbeschwörer. -
Francisco de Quevedo, Die
Träume. Die Fortuna mit Hirn oder die Stunde aller. Frankfurt am Main 1966 (zuerst
1627)
Ehefrau (5) Ich sagte zu ihr: ›Aber warum
redest du denn so, Irene?‹, aber sie verstand mich nicht gut und blieb
auf ihren Schienen, während sie mich anhörte; und ich habe es ihr auch
einmal von den Schienen gesagt, aber sie fing
an zu kochen und war riesengroß und hatte schon das Pfeifen
an sich, das mir angst machte. Und genau da habe ich sie in der vollendeten
Gestalt einer Lokomotive gesehen, und das hat mich beeindruckt, denn während
sie schnaubte, blieb ihr Dampf,
von dem sie mehr hatte als sonst, in der Luft stehen, und so konnte ich
alle ihre Bestandteile anschauen: die Kolben, das Geländer für den Heizer
und die Hebel; und ich wunderte mich, denn sie war wirklich eine vollkommene
Lokomotive, wie sie aus den Werkstätten kommen.
-
(mond)
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