chtheit  Allison lachte. »Armer Larry. Sie verstehen das nicht.« Sie beugte sich zu ihm hinüber, ihre wunderbaren Augen tanzten. »Sehen Sie, Larry, ich weiß etwas, was niemand sonst weiß - niemand sonst in dieser Welt. Etwas, was ich erfuhr, als ich ein kleines Mädchen war. Etwas -«

»Warten Sie einen Augenblick. Was meinen Sie mit ›dieser Welt‹? Meinen Sie, es gibt schönere Welten als diese? Bessere Welten? Wie bei Platon? Diese Welt ist nur ein -«

»Natürlich nicht!« Allison runzelte die Stirn. »Das ist die beste Welt, Larry. Die beste aller möglichen Welten.«

»Oh. Herbert Spencer

»Die beste aller möglichen Welten - für mich.« Sie lächelte ihn an, mit einem kalten, unergründlichen Lächeln.

»Warum für Sie?«

In dem wohlgeformten Gesicht des Mädchens lag etwas beinahe Raubtierhaftes, als sie antwortete. »Weil«, sagte sie ruhig, »das meine Welt ist.«

Larry zog eine Augenbraue hoch. »Ihre Welt?« Dann grinste er gutmütig. »Klar ist sie das, Baby; sie gehört uns allen.« Er wies mit weit ausholender Geste durch den Raum. »Ihre Welt, meine Welt, die Welt des Banjospielers -«

»Nein.« Allison schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein, Larry. Meine Welt; sie gehört mir. Alles und jeder. Alles meins.« Sie rückte ihren Sessel herum, bis sie dicht neben ihm saß. Er konnte ihr Parfüm riechen, warm, süß und aufreizend. »Verstehen Sie nicht? Das gehört mir. All diese Dinge - sie sind meinetwegen hier; für mein Glück

Larry rückte ein wenig ab. »Oh? Wissen Sie, als philosophischer Grundsatz ist das ein bißchen schwer aufrechtzuerhalten. Ich gebe zu, daß Descartes gesagt hat, wir kennen die Welt nur vermittels unserer Sinne, und unsere Sinne spiegeln unsere eigenen -«

Allison legte ihre kleine Hand auf seinen Arm. »Das meine ich nicht. Verstehen Sie, Larry, es gibt viele Welten. Alle Arten von Welten. Millionen und Abermillionen. So viele Welten, wie es Menschen gibt. Jeder Mensch hat seine eigene Welt, Larry, seine eigene, persönliche Welt. Eine Welt, die für ihn existiert, für sein Glück.« Bescheiden senkte sie den Blick. »Das hier ist zufällig meine Welt.«

Larry überlegte. »Sehr interessant, aber was ist mit den anderen Menschen? Beispielsweise mit mir?«

»Sie existieren selbstverständlich für mein Glück; darüber spreche ich ja gerade.« Der Druck ihrer kleinen Hand verstärkte sich. »Sobald ich Sie sah, wußte ich, daß Sie der Richtige sind. Ich habe schon seit mehreren Tagen darüber nachgedacht. Es ist Zeit, daß er mir begegnet. Der Mann für mich. Der Mann, der mir zum Heiraten bestimmt ist - damit mein Glück vollkommen sein kann.«

»Hey!« rief Larry aus und wich zurück.

»Was ist los?«

»Was ist mit mir?« fragte Larry. »Das ist nicht fair! Zählt denn mein Glück nicht?«

»Doch ... aber nicht hier, nicht in dieser Welt.« Sie gestikulierte unbestimmt. »Sie haben irgendwo anders eine Welt, eine eigene Welt; in dieser Welt sind Sie lediglich ein Teil meines Lebens. Sie sind nicht ganz echt. Ich bin die einzige in dieser Welt, die ganz echt ist. All die anderen sind meinetwegen hier. Sie sind nur - nur teilweise echt.«  - Philip K. Dick, Die Welt, die sie wollte. In: P. K. D., Variante zwei. Sämtliche Erzählungen Band 3. Zürich 1995 (zuerst 1987)

Echtheit (2)  Ich fragte mich damals, ob auf der Welt überhaupt Menschen sind, und ich habe auch darüber mit dem Metzger gesprochen, der sagte, daß es nach seiner Ansicht die Menschen gebe, und das sei gar kein Problem.

Ich ging zu ihm und sagte: ›Heute habe ich die Leute gesehen und von außen sind sie mir ganz normal erschienen, aber auch ganz tückisch, als waren sie gar nicht die, die sie sind.‹ Und ich fragte ihn: ›Aber machen sie wirklich alles in echt?‹

Und um es ihm zu erklären, sagte ich, jeder komme mir vor wie ein Schauspieler; und ich sähe es ihm an, daß er nicht sein eigenes Kleid anhabe, sondern vielleicht habe man es ihm auch gebügelt oder ein wenig zerknittert, damit es zu dem wird, das es scheinen soll. Und in den Gesichtern sah ich Zeichen, kleine Falten oder Mitesser oder dunklere Augenringe, die hinzugefügt worden waren, damit alles wie echt aussah.

Ich schaute mir zum Beispiel einen an und sagte mir, er hätte vielleicht eine Oberfläche aus Siegellack oder aus Wachs, aber man erkannte, daß es eine perfekte und zweifellos bewundernswerte Imitation war.

Und diese Leute gingen in ihre Cafés oder spielten die Vielbeschäftigten, die es eilig haben und keine Zeit zum Dolcefarniente.

Und er sagte, genauso sei es, die Leute täten, was sie tun müßten, und seinen Mann stehen heiße, es ungefähr auch so machen.

Da sagte ich ihm, mehr als einmal, das sei wahr, und ich könne nicht mehr dazu sagen. Die Leute schienen wirklich so zu sein, wie sie schienen, samt ihren Geschäften und ihren Gesichtern. Aber sicher war ich mir nicht, so sagte ich zu ihm: ›Sicher bin ich mir nicht, ich weiß überhaupt nichts sicher.‹

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich damals lebte, als mein Nervensystem unter dem Einfluß des Dampfrosses stand. Außerdem sagte ich zu Zardetto auch noch, es komme mir vor, als wären die Häuser alle aus Pappe oder aus einer Art Sperrholz. Und er glaubte es nicht. Ich sagte, praktisch gebe es gar keine Häuser, sondern ich sähe, wenn ich unterwegs sei, daß man sie alle durch unechte Fassaden ersetzt hätte. Und dieser Zardetto sagte: ›Wer denn?‹ Das wußte ich nicht, weil es für mich ein Geheimnis war, und oberflächlich schien alles gleich. Aber ich paßte auf, und es war sonnenklar, daß hinter den Straßen fast nichts war außer dem, was man vorne sah, vielleicht gab es auch einige Holzstützen, damit diese dünnen Wände nicht umfielen. Und von vorne merkte man nichts, weil alles so perfekt nachgemacht war, daß ich mich fragte: ›Wie haben sie das gemacht?‹

Manchmal sah ich Frauen, die aus dem Fenster sahen oder ganz selbstverständlich einen Läufer ausschüttelten; und ich sah Herren, die mit dem Schlüssel die Haustür aufschlossen oder klingelten, ohne auf mich zu achten, und dann hineingingen. Und ich dachte, daß sie alle drinnen verschwänden und dann lachten und nichts als lachten. - (mond)

Echtheit (3)  Das wirkliche Vorhandensein der Epilepsie hat immer einen besonderen Ausdruck in den Gesichtszügen, die den mehr oder weniger deutlich ausgedrückten Stempel von Traurigkeit, Furchtsamkeit und Dummheit an sich tragen, insofern die Krankheit schon einige oder längere Zeit dauert, was durch Betrug nicht wohl nachzuahmen ist. Bei dem wahren Epileptiker zeigen die oberen Augenlider die Neigung, sich zu senken, und man bemerkt die Gewalt, die sich der Epileptiker antut, um die Augen offen zu halten, wenn er etwas betrachten will; auch sprechen solche Kranke nur ungern von ihrer Krankheit, suchen sie sogar zu verheimlichen. Die simulierten Konvulsionen sind sich, da die Betrüger ihre Rollen gewissermaßen auswendig lernen, in allen Paroxysmen fast ganz ähnlich, haben auch etwas Grimassenartiges, was bei der Epilepsie nicht der Fall ist. In den wahren epileptischen Anfällen sind fast immer die Augen offen, die Pupille ist meistens erweitert oder auch krampfhaft zusammengezogen, die Iris in einer zitternden Bewegung; bei manchen Kranken rollen die Augen fürchterlich in ihren Höhlen umher, sind aber auch wohl in einzelnen Momenten fast wie leblos fixiert. Dieser Zustand ist nicht nachzuahmen, und der verstellte Anfall wird besonders dadurch erkennbar, wenn bei schnellem Anbringen eines Lichts vor die Augen die Pupille sich gleich zusammenzieht. Das beschwerliche und röchelnde Atemholen, meist mit bläulicher Auftreibung des Gesichts gepaart, kann anhaltend nicht nachgeahmt werden, ebensowenig der Schaum vor dem Munde in einem gewissen Grade, wenn nicht Seife dazu verwendet wird, und das Herzklopfen mit dem kleinen unterdrückten Pulse. Bei den wahren Anfällen ist eine ungewöhnliche Körperkraft zu konstatieren, die Betrüger, wenn sie nicht von Natur aus stark sind, nicht nachzuahmen vermögen. Wenn Epileptische schreien, so geschieht dies vor dem Fallen, nachher tritt völliges Schweigen mit Bewußtlosigkeit und Verlust des Gefühlsvermögens ein. Betrüger verstoßen sich oft hierbei, zumal wenn ihnen Anlaß gegeben wird. Tritt namentlich auf Anwendung von Kitzeln, Nießmitteln u. dgl. Reaktion ein, so ist Simulation als gewiß anzunehmen.   - Nach (ave)
 

Wahrheit Wirklichkeit

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