Durchlaucht Plötzlich kreischte die Tür an der Blockrolle, und der Fußboden zitterte unter den Schritten eines Eintretenden. Leichter Zugwind flog über Jegoruschka hin, und ihm schien, ein großer schwarzer Vogel sei vorbeigeflogen und habe unmittelbar vor seinem Gesicht mit den Flügeln geschlagen. Er machte die Augen auf... Den Sack in Händen, stand der Onkel reisefertig neben dem Diwan. Vater Christofor hielt seinen breitrandigen Zylinder und verneigte sich vor jemandem. Sein Lächeln war nicht weich und rührselig wie stets, sondern respektvoll und gezwungen, was gar nicht zu seinem Gesicht passen wollte. Moissej Moissejitsch aber balancierte geradezu, wie wenn sein Körper in drei Teile zerbrochen wäre, und gab sich die größte Mühe, nicht auseinanderzufallen. Lediglich Solomon stand, als wenn ihn alles nichts anginge, in einer Ecke, die Arme über der Brust gekreuzt, und lächelte verächtlich wie zuvor.

»Euer Durchlaucht wollen verzeihen, es ist bei uns nicht ganz sauber!« stöhnte Moissej Moissejitsch mit qualvoll süßem Lächeln. Er beachtete weder Kusmitschow mehr noch Vater Christofor, sondern balancierte nur mit seinem ganzen Körper, um nicht ganz auseinanderzufallen. »Wir sind einfache Leute, Euer Durchlaucht!«

Jegoruschka rieb sich die Augen. Tatsächlich, inmitten des Zimmers stand eine Durchlaucht in Gestalt einer jungen, sehr hübschen und vollen Frau in schwarzem Gewande, einen Strohhut auf dem Haupt. Und noch ehe Jegoruschka ihre Züge betrachten konnte, kam ihm aus irgendeinem Grunde die Erinnerung an jene einsame schlanke Pappel, die er am gleichen Tage auf dem Hügel erblickt hatte.

»Ist heute Warlamow hier durchgekommen;« fragte die Frauenstimme.

»Nein, Euer Durchlaucht!« erwiderte Moissej Moissejitsch. »Wenn Sie ihn morgen sehen sollten, bitten Sie ihn, daß er auf eine Minute bei mir vorfahren möge.«

Und mit eins erblickte Jegoruschka völlig unverhofft einen halben Zoll vor seinen Augen schwarze, samtweiche Augenbrauen, große braune Augen und gepflegte Frauenwangen mit Grübchen, von denen gleich Strahlen, die von der Sonne ausgehen, sich ein Lächeln über das ganze Antlitz ergoß. Ein prächtiger Duft stieg auf.

»Was ist das für ein hübscher Junge!« sagte die Dame. »Zu wem gehört er? Kasimir Michailowitsch, schauen Sie doch nur, wie reizend! Mein Gott, er schläft ja! Ach du, mein liebes Kerlchen...« Und die Dame küßte Jegoruschka fest auf beide Wangen, wobei er lächelte und die Augen schloß, denn er glaubte wirklich, daß er schlafe.   - Anton Tschechow, Die Steppe. Nach (tsch)

 

Adel

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Vornehmheit

Synonyme