urchbruch  Es haben sich auch die Gelehrten darum gekratzet mit vielen seltsamen Schreiben, und sind einander in die Haare gefallen mit Schmähen und Schänden, dadurch dann der hl. Name Gottes ist geschändet und seine Glieder verwundet und sein Tempel zerstöret und der hl. Himmel mit diesem Lästern und Anfeinden entheiliget worden.

 Es haben die Menschen je und allwege gemeinet, der Himmel sei viel hundert oder tausend Meilen von diesem Erdenboden und Gott wohne allein in demselben Himmel. Es haben auch wohl etliche Physici sich unterstanden, dieselbe Höhe zu messen, und gar seltsame Dinge herfürbracht.

 Zwar ich habe es selber vor dieser meiner Erkenntnis und Offenbarung Gottes dafür gehalten, daß das allein der rechte Himmel sei, der sich mit einem runden Zirk ganz lichtblau hoch über den Sternen schleußt, in Meinung, Gott habe allein da innen sein sonderliches Wesen und regiere nur allein in Kraft seines Hl. Geistes in dieser Welt.

 Als mir aber dieses gar manchen harten Stoß gegeben hat, ohne Zweifel von dem Geiste, der da Lust zu mir hat gehabt, bin ich endlich gar in eine harte Melancholei und Traurigkeit geraten, als ich anschauete die große Tiefe dieser Welt, dazu die Sonne und Sternen, sowohl die Wolken, dazu Regen und Schnee, und betrachtete in meinem Geiste die ganze Schöpfung dieser Welt.

 Darinnen ich dann in allen Dingen Böses und Gutes fand, Liebe und Zorn, in den unvernünftigen Kreaturen als in Holz, Steinen, Erden und Elementen sowohl als in Menschen und Tieren.

 Dazu betrachtete ich das kleine Fünklein des Menschen, was er doch gegen diesem großen Werke Himmels und Erden vor Gott möchte geachtet sein.

 Weil ich aber befand, daß in allen Dingen Böses und Gutes war, in den Elementen sowohl als in den Kreaturen, und daß es in dieser Welt dem Gottlosen so wohl ginge als den Frommen, auch daß die barbarischen Völker die besten Länder innen hätten und daß ihnen das Glücke noch wohl mehr beistünde als den Frommen.

 Ward ich derowegen ganz melancholisch und hoch betrübet, und konnte mich keine Schrift trösten, welche mir doch fast wohl bekannt war; dabei dann gewißlich der Teufel nicht wird gefeiert haben, welcher mir dann oft heidnische Gedanken einbleuete, derer ich allhie verschweigen will.

 Als sich aber in solcher Trübsal mein Geist - denn ich wenig und nichts verstund, was er war - ernstlich in Gott erhub als mit einem großen Sturme, und mein ganz Herz und Gemüte samt allen andern Gedanken und Willen sich alles darein schloß, ohne Nachlassen, mit der Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu ringen, und nicht nachzulassen, er segenete mich denn, das ist: er erleuchtete mich denn mit seinem Hl. Geiste, damit ich seinen Willen möchte verstehen und meiner Traurigkeit los werden; - so brach der Geist durch.

 Als ich aber in meinem angesetzten Eifer also hart wider Gott und aller Höllen Porten stürmete, als wären meiner Kräften noch mehr vorhanden, in willens, das Leben daran zu setzen - welches freilich nicht mein Vermögen wäre gewesen ohne des Geistes Gottes Beistand - alsbald nach etlichen harten Stürmen ist mein Geist durch der Höllen Porten durchgebrochen bis in die innerste Geburt der Gottheit und allda mit Liebe umfangen worden, wie ein Bräutigam seine liebe Braut umfähet.

 Was aber für ein Triumphieren im Geiste gewesen, kann ich nicht schreiben oder reden. Es läßt sich auch mit nichts vergleichen als nur mit dem, wo mitten im Tode das Leben geboren wird, und vergleicht sich der Auferstehung von den Toten.

 In diesem Lichte hat mein Geist alsbald durch alles gesehen und an allen Kreaturen, sowohl an Kraut und Gras, Gott erkannt, wer der sei und wie der sei und was sein Wille sei.   - (boe)

Durchbruch (2)  Koprolalie (auch Wortsadismus, Zotendrang). Eine Impulshandlung, die die daran Leidenden zwingt, gemeine Worte auszusprechen. Männer sind häufiger davon betroffen als Frauen. Die Koprolalie kann Vorbedingung der Potenz sein, kann aber bei sonst ethisch hochstehenden Männern und Aestheten während des Orgasmus auftreten, so daß die Frauen mit den gemeinsten Ausdrücken beschimpft werden. Auch im Alkohol-, im Kokain- oder im Aetherrausch kann Koprolalie auftreten, die den Durchbruch der zweiten unterdrückten Persönlichkeit bedeutet. Frauen können im hysterischen Anfall und in Wutanfällen auch der Koprolalie unterworfen sein. - (erot)

Durchbruch (3)  

- Erwin Wurm

Durchbruch (4)  Zwischen den Rückwänden der Schuppen und Anbauten befand sich eine Sackgasse, der fernste und letzte Ausläufer des Hofes, eingeschlossen zwischen Abstellkammer, Abtritt und der Rückwand des Hühnerstalls — eine stille Bucht, aus der kein Weg hinausführte.

Es war das fernste Kap, das Gibraltar des Hofes, und es stieß verzweifelt mit dem Kopf gegen den abschließenden Zaun mit seinen waagrechten Brettern, an die endgültigste Wand dieser Welt.

Unter den bemoosten Planken quoll ein Rinnsal schwarzen, stinkenden Wassers hervor, eine Ader faulenden, fettigen Schlamms, die nie ganz austrocknete - es war der einzige Weg, der unter der Zaungrenze hindurch in die Welt hinausführte. Doch die Verzweiflung der übelriechenden Gasse hatte so lang mit dem Kopf gegen das Hindernis gestoßen, bis sich eines der mächtigen waagerechten Bretter gelöst hatte. Und wir Burschen hatten den Rest besorgt und das schwere, moosbewachsene Brett aus seiner Halte-rung gerissen und gezerrt. So hatten wir einen Durchbruch geschaffen, ein Fenster zur Sonne hin geöffnet. Mit einem Bein auf dem als Brücke über die Pfütze geworfenen Brett konnte sich der Gefangene des Hofs in horizontaler Lage durch den Spalt zwängen, der ihn in eine neue, luftige und weitläufige Welt entließ. Dort war ein riesiger, verwilderter alter Garten.

Hochgewachsene Birnbäume und ausladende Apfelbäume wuchsen hier in vereinzelten, stattlichen Gruppen, übergossen von silbrigem Geraschel und einem siedenden Netz weißlichen Glitzerns. Ungemähtes Gras wucherte wirr durcheinander und bedeckte mit buschigem Pelz das gewellte Terrain. Dort standen gewöhnliche Wiesengräser mit fedrigen Ährenbüscheln, das zarte Filigran von wilder Petersilie und Karotten, die gefältelten und rauhen Blättchen minzeduftender Gundelrebe und blinder Nesseln, und auch ledriger, glänzender Wegerich, mit Rost gesprenkelt, der in breiigen, dicken, roten Garben emporschoß. All dies war lose miteinander verflochten, von milder Luft durchtränkt, von hellblauem Wind untermalt und mit Himmel aufgeblasen. Lag man im Gras, war man völlig von der blauen Geographie der Wolken und der dahinziehenden Kontinente bedeckt, man atmete die ganze weitläufige Himmelskarte. Bei ihrem Dialog mit der Luft hatten sich die Blätter und Triebe mit zarten Härchen bedeckt, mit weichem Flaum und rauhen, borstigen Widerhäkchen wie zum Ergreifen und Festhalten des vorüberziehenden Sauerstoffs. Der zarte weißliche Belag vermählte die Blätter mit der Atmosphäre und verlieh ihnen den silbergrauen Schimmer von Luftwellen, von schattigen Grübeleien zwischen zwei Sonnenstrahlen. Und eine der luftgeblähten Pflanzen, gelb und mit milchigem Saft in den bleichen Stengeln, trieb aus ihren leeren Trieben nur Luft allein, nichts als Flaum in Gestalt fedriger Milchkugeln, die, von einem Windhauch zerstreut, lautlos in die hellblaue Stille sickerten.

Der Garten war weitläufig und vielfach verästelt, es gab darin verschiedene Zonen und Klimata. Auf der einen Seite war er offen, voll Himmelsmilch und Luftmilch, und dort unterlegte er den Himmel mit weichstem, zartestem und duftigstem Grün. Doch in dem Maße, in dem sich der Garten in die Tiefe eines seiner langgezogenen Ausläufer senkte und in den Schatten zwischen der Rückwand der stillgelegten Sodawasserfabrik und einer langen baufälligen Scheunenwand eintauchte, bewölkte er sich deutlich, wurde ruppig und schlampig, verwilderte und verkam, wütete mit Brennesseln, sträubte seine Disteln, verschorfte mit allerlei Unkraut, bis er am hintersten Ende, in der weiten, rechteckigen Bucht zwischen den Wänden jegliches Maß verlor und dem Wahnsinn verfiel. Dort gab es keinen Baumgarten mehr, sondern nur noch den Paroxysmus der Raserei, den Ausbruch äußerster Wut, zynische Schamlosigkeit und Ausschweifung. Dort machten sich die bestialischen, verwilderten, hohlen Kohlköpfe der Kletten breit und frönten ihren Leidenschaften — riesige Hexen, die sich am hellichten Tag ihrer weiten Röcke entledigten, sie von sich warfen, einen Rock nach dem andern, bis ihre geblähten, raschelnden, löchrigen Lumpen das zänkische Volk der Bastarde unter den verrückt gewordenen Fetzen begraben hatten. Und die gefräßigen Röcke beulten sich aus, bäumten sich auf, türmten sich übereinander, quollen über und bedeckten sich gegenseitig, sie wuchsen als gedunsene Masse von Blattblechen fast bis zur tiefhängenden Scheunentraufe.

Dort war es, wo ich ihn das einzige Mal in meinem Leben erblickte, zu einervor Hitze besinnungslosen Mittagsstunde. Es war einer dieser Augenblicke, in denen die Zeit, verrückt und wild, aus dem Trott der Ereignisse ausbricht und wie ein flüchtiger Vagabund mit Gebrüll querfeldein stürmt. Dann wächst der Sommer, außer Kontrolle geraten, ohne Maß und Orientierung in alle Richtungen, er wächst mit wilder Wucht an allen Ecken aufs Doppelte und Dreifache, in eine andere, quasi mißratene Zeit, in unbekannte Dimensionen, in den Irrsinn.- Bruno Schulz, Pan. Nach (bs2)

Hindernis Befreiung

 

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