- Paul Valéry, Cahiers 1921. Nach
(
enc
)
Drücken (2) Ich ging in das Modegeschäft Ostende und
kaufte ein Paar gelber Halbschuhe, die sich als zu eng erwiesen. Ich ging also
in das Geschäft zurück und tauschte dieses Paar gegen ein anderes um, derselben
Fasson und Nummer und überhaupt gegen ein in jedem Hinblick identisches, das
sich ebenfalls als zu eng erwies. Es kommt vor, daß ich mich durch mich selbst
in Erstaunen setze. - (
gom
)
Drücken (3) Das wahre Leben begann für Dr. Dialisi erst
in vorgerücktem Alter und drehte sich um ein Paar Schuhe.
Es waren Lederschuhe mit Schnürsenkeln. Er hatte sie 1937, mit zweiundsechzig
Jahren, eines Tages gekauft, beinahe ohne sie zu probieren; er sagte, als er
sie ihm Schaufenster gesehen habe, hätten sie ihn irgendwie inspiriert. Sie
erwiesen sich dann als sehr eng und so hart, daß es eine Qual war, sie zu tragen.
Er trug sie aber von morgens bis abends, und er trug sie dann auch den ganzen
Abend, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Das tat er, um sie durch den Gebrauch
auszuweiten und weich zu machen. Aber die Schuhe wurden nie weicher, und seine
Füße mußten für immer leiden. Es geschah jedoch, daß er, der zuvor ein teilnahmsloser
und lustloser Mann gewesen war, von dem Augenblick an zu einem Mann wurde, der
nur seine Schuhe im Sinn hatte. Niemand in seiner Umgebung hatte eine Ahnung
von seinen Qualen, denn er hielt sie geheim. Man bemerkte nur, daß er einen
vorsichtigeren Gang hatte, als würde er auf Eiern gehen, und daß sein Gesichtsausdruck
konzentrierter war, in gewissem Sinn, als wäre sein Geist auf einer höheren
Ebene. Seine Füße hatten sich inzwischen gehäutet, man schrieb das Jahr 1938,
an der Ferse hatte sich ein Überbein gebildet, und an einigen Stellen waren
sie in Suppuration übergegangen. Sie waren erbarmenswert anzusehen. Aber er
zog sich die Schuhe nur selten aus. Nur nachts befreite er seine Füße, legte
sie aufs Bett und schaute sie an. Von einem Schuster wollte er nichts wissen.
Zwischen ihm und den Schuhen bestand ein gegenseitiges Übereinkommen, mit dem
einzigen Ziel, die Füße zu peinigen. -
(cav)
Drücken (4) Eingekeilt in eine Menschenmenge, drängelt
er sich nach vorn. Er quetscht Obst, drückt Hände, befindet sich in der Klemme,
kann aus der Ecke nicht herauskommen. Er wird totgedrückt. Mit den Ellenbogen
boxt er sich heraus, wringt Wäsche aus, melkt eine Kuh. Panik führt zu einem
Ansturm auf die Bank. Er hält einen anderen Burschen nieder, setzt ganz auf
seinen Groll, will dem anderen damit schaden. Er zwinkert, erzwingt sich Durchgang,
und schmiedet weiter an dem Komplott zum Sturz des anderen. Dann setzt er noch
jemanden in Verlegenheit. Sie schubsen sich und rempeln einander an. Dann aber
verbünden sie sich. Gemeinsam gereichen sie den übrigen zum Nachteil. - (
liu
)
Drücken (5)
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