Drontenjäger   Frans Van der Groovs segelte mit einer Schiffsladung lebender Säue nach Mauritius  und verlor dort dreizehn Jahre damit, mit seiner Haakbus durch die Ebenholzwälder, das Sietland und die Lavafelder zu streifen und planmäßig die einheimischen Dronten auszurotten, aus Gründen, die er sich selbst nicht zu erklären vermochte. Die holländischen Schweine kümmerten sich um die Eier und die Jungvögel. Frans aber legte aus nur zehn bis zwanzig Metern auf die Eltern an, die Büchse fest auf ihrem Haken abgestützt, drückte, den Blick fixiert auf diese federstiebende Unsäglichkeit, den Abzugsbügel nieder und sah im Augenwinkel, wie sich die alkoholgetränkte Lunte zwischen den Kiefern des Drachen rotblühend senkte, ihre Hitze vor seiner Wange wie mein eigener kleiner Mars {so schrieb er in einem Brief an seinen älteren Bruder Hendnk), der mein Sternzeicben regiert... Dann zog er die andere Hand zurück, mit der er das Zündpulver abgeschirmt hatte - ein kurzer Blitz von der Pfanne ins Zündloch, und ein donnernder Knall, dessen Echo schon von den Felswänden kam, als ihm der Rückstoß noch den Schaft in die Schulter rammte (wo die Haut wund war und aufgeplatzt, bis sich, nach dem ersten Sommer, eine Hornhautschicht gebildet hatte). Der dumme, ungelenke Vogel aber, nicht dafür geschaffen, zu fliegen oder auch nur einigermaßen behende zu laufen -wozu waren sie überhaupt gut? -, hatte von seinem Mörder nichts bemerkt, riß kreischend auf, spritzte sein Blut aus und starb ...

Zu Hause überflog der Bruder die Briefe, die über Jahre geschrieben und alle gleichzeitig zugestellt worden waren, einige noch frisch, andere salzwasserfleckig oder ausgebleicht, verstand nur wenig und war ohnehin in Eile, um nicht zu spät in die Gärten und das Gewächshaus zu kommen, wo er die Tage in Gesellschaft seiner Tulpen zu verbringen pflegte (eine akute Tollheit der Epoche), vor allem jener neu gezüchteten, die er nach seiner augenblicklichen Geliebten benannt hatte: blutrot, mit zartem Purpur tätowiert... «Die Neuankömmlinge haben alle schon den neuen Snaphaan ... aber ich hänge nun einmal an meinem alten, schwerfälligen Luntenschloß ... Steht mir nicht eine plumpe Waffe zu für solche plumpe Beute?» Mehr wußte Frans nicht zu berichten über das, was ihn selbst während der winterlichen Zyklone draußen ausharren ließ, bis ihm nur noch alte Uniformfetzen blieben, um sie zu den Bleikugeln zu stopfen, sonnengegerbt, vollbärtig und verdreckt-außer, es regnete oder er war im Hochland, wo die Krater der erloschenen Vulkane Regenwasser, blau wie der Himmel, aus emporgereckten Kelchen darboten.

Er ließ die Dronten alle verwesen, konnte sich nicht überwinden, von ihrem Fleisch zu essen. Gewöhnlich jagte er allein. Oft jedoch, nach Monaten der Isolation, begann die Einsamkeit, ihn und seine Wahrnehmung zu verändern. Unter seinen Blicken flammten die zerklüfteten Gebirge am hellen Tag in monströsem Safrangelb und strahlendem Indigo auf, wurde der Himmel zum Gewächshaus, die ganze Insel zu seinem Tulpenwahn. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

 

Dronte Jäger

 

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