rontenei
ungehalten waren, wütend, über sein Unverständnis. Einmal saß er einen
ganzen Tag lang vor einem Grasnest mit einem einzelnen, weißen Drontenei und
starrte es an. Der Ort war so abgelegen, daß kein streunendes Schwein das Ei
entdeckt hatte. Er wartete auf ein Kratzen, auf einen ersten Sprung, der zu
einem Netz von Rissen in der Kalkhaut werden würde, auf ein Erscheinen. Das
Maul des eisernen Drachen war mit Hanf gefüttert, bereit, entzündet zu werden,
sich zu senken, eine Sonne ins Schwarzpulvermeer, um das Küken zu vernichten,
Ei aus Licht zu Ei der Finsternis, im ersten Augenblick des atemlosen Schauens,
des kühlen Kraulens der Südostpassate über seinen feuchten Flaum ... Alle
Stunden legte er an und visierte über den Lauf auf das Ei. In diesen Augenblicken,
wenn jemals, mochte er erkennen, daß die Waffe eine
Achse, mächtig wie die der Erde selbst, zwischen ihm
und diesem Opfer bildete, das im Inneren seines Eis noch eins war mit der Ahnenkette,
von der es nur für die Dauer seines einzigen Blicks auf die Welt losgerissen
werden würde. So saßen sie sich gegenüber, das stumme Ei und der verwirrte Niederländer,
vom Lauf der Hakenbüchse für alle Ewigkeit verbunden, leuchtend erstarrt und
eingerahmt wie nur je ein Vermeer. Allein die Sonne bewegte sich: zog vom Zenit
nach Westen, bis sie endlich hinter dem krummen Zahnkamm der Berge im Indischen
Ozean versank, teerige Nacht aufzog. Das Ei lag unverändert, ohne auch nur zu
zittern. Er hätte es zerschmettern müssen, spätestens jetzt: er wußte, daß der
Vogel vor der Morgendämmerung schlüpfen würde. Aber ein Kreislauf hatte sich
geschlossen. Er erhob sich mühsam, Knie und Hüftgelenke schmerzten, sein Kopf
hallte von dröhnenden, drängenden, einander übertönenden Befehlen seiner nächtlichen
Besucher wider, aber er humpelte nur müde davon, die Büchse rechts geschultert.
- Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
|
||
|
||